Zur Entwicklung des Nationalparks gehört ein Tourismuskonzept, das sowohl den Menschen als auch der Natur gerecht wird. Andreas Braun ist Geschäftsführer der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg (TMBW) und engagiert sich als stellvertretender Vorsitzender im Nationalparkbeirat. Er betrachtet den Nationalpark in vielerlei Hinsicht als große Chance.
Herr Braun, wie wichtig ist der Nationalpark für den Tourismus in Baden-Württemberg?
Andreas Braun: Nationalparks sind weltweit Attraktionen ersten Ranges. Sie verfügen über enorme Anziehungskraft, die Marke ist überragend. Das heißt, man kann damit alle ansprechen, sowohl im In- als auch im Ausland. Es gibt zudem eine Wechselwirkung zwischen der internationalen Marke „Nationalpark“ und der international kaum weniger bekannten Marke „Schwarzwald“ – das ergänzt sich gut. Baden-Württemberg hatte keinen Nationalpark. Jetzt hat das Land einen touristischen Schatz.
Wie war Ihre Haltung zur Gründung des Nationalparks in der vorausgehenden Diskussion?
Braun: Ich habe den Nationalpark schon vor der Landtagswahl 2011 gefordert und Gespräche mit verschiedenen Fraktionen geführt.
Was waren Ihre Motive?
Braun: Gerade in dieser Region sehe ich eine große Chance in einem Nationalpark, denn der Wald ist an manchen Stellen bereits ziemlich wild. Außerdem ist der Nordschwarzwald wenig besiedelt und wenig zerschnitten. Damit sind wichtige Rahmenbedingungen erfüllt. Und schließlich hat dort das Touristische Aktionsbündnis Nördlicher Schwarzwald, genannt TANS, die Spezifika dieser Region schon sehr gut herausgearbeitet. Daraus habe ich den Schluss gezogen: Ein Nationalpark wäre für die Region eine große touristische Chance, auch für die regionale Wertschöpfung. Angesichts stagnierender Gästezahlen und der schwierigen Situation mancher Kurorte und Heilbäder brauchte es dort neue Perspektiven.
Wie unterstützt die Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg den Nationalpark?
Braun: Auf sehr unterschiedliche Art und Weise – etwa mit unserer Pressearbeit oder auf großen Messen wie der CMT, wo wir mitgeholfen haben, dass die Großschutzgebiete in Baden-Württemberg einen gemeinsamen emotionalen Auftritt haben. Wir unterstützen den Nationalpark aber vor allem auch im Auslandsmarketing – in den Niederlanden, der Schweiz, in Frankreich, in den USA sowie allgemein in Kooperation mit der Deutschen Zentrale für Tourismus. Wir integrieren ihn außerdem in unsere Submarke „Grüner Süden“, unter der wir nachhaltige, umwelt- und klimaschonende Naturerlebnis-Angebote bündeln.
Welche Aufgaben und Ziele verfolgen Sie im Nationalparkbeirat?
Braun: Der Beirat hat beratende und unterstützende Funktion und ist ein Abbild verschiedenster Interessensgruppen: Holzwirtschaft, Gastronomie, Tourismus, Naturschutz, Jagd, Forst, Kirchen und anderer mehr. Es geht um die Entwicklung eines Verkehrs- und eines Tourismuskonzeptes. Es geht auch um die Frage von Partnerschaften und welche Kriterien wir festlegen, dass jemand sich Nationalparkpartner nennen kann. Das geht bis hin zum Wildtiermanagement und zum Borkenkäfer. Es ist eine ausgesprochen konstruktive Arbeit an der Fortentwicklung des Nationalparks. Selbstverständlich werden auch Probleme angesprochen.
Welche Themen haben Sie schon „abgearbeitet“?
Braun: Ganz entscheidend war die Definition der Nationalparkregion – wie groß ist sie, wer gehört dazu? Das Tourismuskonzept wird jetzt erarbeitet, hier sind die Vorarbeiten getan. Ein weiterer Schritt ist das Verkehrskonzept: Wir müssen dafür Sorge tragen, dass der Individualverkehr, der an schönen Tagen die Schwarzwaldhochstraße sehr belastet, eingedämmt wird, dass es gute öffentliche Verkehrsanbindungen gibt.
Was muss noch alles passieren, damit der Tourismus im Nationalpark optimal funktioniert?
Braun: Die zentrale Frage ist, wie wir die Besucherströme in den Griff bekommen und verteilen. Ich glaube, wenn das Nationalparkzentrum auf dem Ruhestein gebaut ist – das soll Ende 2018 so weit sein, die Pläne sind aufsehenerregend – und wenn es gleichzeitig gelingt, entlang der Schwarzwaldhochstraße Punkte der Inszenierung zu bieten, dann werden wir Tages- und Durchreisende zufriedenstellen und den wichtigen Bildungsauftrag erfüllen. Denken Sie an Schulklassen. Für die deutlich kleinere Zielgruppe in Wanderstiefeln gibt es sehr gezielte Naturerlebnis-Angebote, Ranger-Wanderungen im Sommer, Touren auf Loipen oder mit Schneeschuhen im Winter.
Tourismus und Naturschutz sind oftmals konkurrierende Ziele. Wie bringt man sie in Einklang?
Braun: Ich denke, heute sind das weniger konkurrierende Ziele als vor 20 Jahren. Wir haben im Nationalpark bis jetzt eher die Erfahrung gemacht, dass die Touristiker die stärksten Unterstützer der Naturschützer waren und umgekehrt. Die Lösung des Konfliktes, so es ihn überhaupt noch gibt, sehe ich tatsächlich in dieser intelligenten Besucherlenkung. So ist es im Nationalpark Berchtesgaden gelungen, durch ein hoch attraktives Besucherzentrum die großen Besucherströme genau dorthin zu lenken. Die Natur profitiert davon, weil die Menschen das Gefühl haben, sie haben den Nationalpark erlebt, ohne dass sie durch alle Wälder spaziert sind. Und diese Funktion wird nach meiner Ansicht das Nationalparkzentrum auf dem Ruhestein bestens erfüllen.
Gibt es Erfahrungen mit den Tourismuskonzepten aus anderen Nationalparks, von denen man
lernen kann?
Braun: Im Großen und Ganzen wurden nur gute Erfahrungen gemacht. Der wichtigste Punkt ist, dass man den Nationalpark verkehrlich in den Griff bekommt. Es widerspräche den Zielen, wenn die Straßen verstopft sind und links und rechts wild geparkt wird.
Welche Stellhebel hat man da?
Braun: Gute Busverbindungen, Park-and-ride-Plätze unten im Tal. Aber es gibt auch schon gute Voraussetzungen für einen gelungenen öffentlichen Nahverkehr. Denken Sie daran, dass beispielsweise Baiersbronn an das Karlsruher Nahverkehrssystem angeschlossen ist. Man kann ja praktisch mit der S-Bahn bis dort hinauf fahren.
Wie sieht der Nationalpark in 50 Jahren aus?
Braun: Mit Sicherheit noch viel wilder. Wir haben das Glück, dass es bereits Schon- und Bannwaldflächen gab, wo man den Menschen heute schon zeigen kann, was in einem urwüchsigen Wald passiert. Diese Flächen werden in 50 Jahren deutlich zugenommen haben. Das Faszinosum von Leben und Sterben im Wald wird noch viel anschaulicher zu beobachten sein. Vermutlich werden der Verkehr sehr viel elektrischer und der Straßenlärm weniger geworden sein. Sicher wird auch ein ausgeklügeltes System des öffentlichen Nahverkehrs dazu führen, dass man auf die individuelle Anfahrt gerne verzichtet.