Die Natur ist Lebensraum und Lebensgrundlage des Menschen. Ihre Schönheit und Eigenart zu achten und ein Bewusstsein für die Bedeutung der Natur für uns Menschen zu wecken, ist durchgängiges Anliegen im Naturschutz. Eine intakte Natur mit gesunden Böden, ausreichend Wasser und guten klimatischen Bedingungen basiert jedoch auf der Fülle der in ihr wild lebenden Tiere und Pflanzen. Sie sind Spezialisten an wichtigen Stellschrauben natürlicher Kreisläufe. Die Bewahrung der biologischen Vielfalt (Biodiversität) liegt daher im Interesse aller Menschen. Sie ist vergleichbar mit unserem Immunsystem, also unsere Lebensversicherung. Dass akuter Handlungsdruck besteht, sie zu erhalten, verdeutlichen die alarmierenden Berichte des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) und die aktuellen Bemühungen der Europäischen Union im Rahmen der neuen EU-Biodiversitätsstrategie für 2030.
Nicht alles ist allein Bundes- und Ländersache. So ist der Schutz für Tiere, Pflanzen und Lebensräume Gegenstand der EU. Und Nationalparke und Biosphärenreservate werden weltweit einheitlich über Kriterien der Weltnaturschutzunion (IUCN) definiert – nach Ausmaß an Wildnis, Zugänglichkeit für den Menschen, Eingriffe durch den Menschen und die wirtschaftliche Nutzung ihrer Flächen. In der Begrifflichkeit unterscheiden sich die Schutzgebiete oft kaum, siehe Nationalpark und Naturpark, doch unterscheiden sie sich ganz erheblich in Schutzziel oder Schutzstatus, auch darin, wie sie verwaltet oder organisiert sind – je nach der Rolle, die sie für die Erhaltung des natürlichen Lebensraumes oder für das Wohlergehen des Menschen erfüllen. Die Folgeseiten stellen sieben der wichtigsten Schutzgeietskategorien in Baden-Württemberg vor – mit Blick auf Schutzstatus und Flächenanteil.
Nationalparke – Natur Natur sein lassen
Anders als im klassischen Naturschutz, der einen erwünschten Zustand in der Natur erhalten oder wiederherstellen möchte, darf sich im Nationalpark die Natur frei entwickeln. Hier ist die Natur am strengsten geschützt. Prozesse finden auf einem Großteil seiner Flächen ungelenkt vom Menschen statt – mit allen Konsequenzen und Veränderungen für dieses Ökosystem. Das nennt man Prozessschutz. Er ist das Hauptkriterium, das den Nationalpark von anderen Schutzgebietsformen unterscheidet. Hier greift der Mensch nicht ein, er begreift vielmehr. Er beobachtet und lernt, wie die Natur sich selbst reguliert und regeneriert, wie er statt gegen sie mit ihr arbeitet. Stirbt beispielsweise ein Baum ab, bietet er als Totholz Deckung, wird zum Wohnblock für Insekten, zum Nistplatz für Vögel und zuletzt düngt er den Waldboden. Die bei der wissenschaftlichen Beobachtung gewonnenen Erkenntnisse können in anderen Bereichen eingesetzt werden. Sie helfen dabei, ursprüngliche Lebensräume und Arten zu schützen und Besucher naturkundlich zu bilden. Denn ein Naturerlebnis für die Bevölkerung ist in einem Nationalpark erwünscht. Damit eine natürliche Dynamik besonders gut gelingt, braucht es Zeit und Fläche. In § 24 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) sind Nationalparke als einheitlich zu schützende, großräumige und weitgehend unzerschnittene Gebiete von besonderer Eigenart definiert. Die weltweit für Nationalparke geltenden Kriterien sind jedoch von der Weltnaturschutzorganisation International Union For Conservation Of Nature (IUCN) festgesetzt. Etwa die Mindestgröße von 10.000 Hektar.
Denn je größer die Fläche, desto mehr Entwicklungspotenzial, desto mehr Nischen für Lebensräume und Vernetzungen und desto weniger Störungen. Doch unberührte Flächen sind im dichtbesiedelten Deutschland selten. Deshalb können hierzulande auch Gebiete zu einem Nationalpark erklärt werden, die sich erst nach und nach zu einem vom Menschen unbeeinflussten Zustand entwickeln sollen. Nach 30 Jahren, so die IUCN, soll dieser Zustand auf 75 Prozent der Nationalparkfläche erreicht sein. Diese Regelung trifft auch auf den Nationalpark Schwarzwald zu. Dessen Einrichtung im Nordschwarzwald auf knapp 10.060 Hektar wurde am 28. November 2013 im Landtag beschlossen. Am 1. Januar 2014 wurde der bislang einzige Nationalpark Baden-Württembergs eröffnet. An dieser Stelle kann durchaus hervorgehoben werden, dass die damalige mediale Aufmerksamkeit, hervorgerufen hauptsächlich durch die Gegner der Nationalparkgründung, keinesfalls ein repräsentatives Meinungsbild widerspiegelte. Vielmehr ergab eine Umfrage nur unmittelbar nach der Nationalparkgründung, dass die überwiegende Mehrheit der Baden-Württemberger, und auch eine klare Mehrheit der Anrainergemeinden, eine positive Grundeinstellung zum Nationalpark hatte. Dies ist wichtig, weil es dokumentiert, dass die Menschen den großen Naturschutzzielen und Naturschutzaufgaben unserer Zeit sehr positiv gegenüberstehen. Vermutlich gilt das auch für einen Großteil der damaligen Gegner, denen man sicherlich nicht vorwerfen darf, der Natur zuwiderhandeln zu wollen; es ging vielmehr um Existenzängste, um befürchtete wirtschaftliche Einbußen oder auch die Zugänglichkeit zum Nationalparkgebiet. Dafür hatte die Nationalparkverwaltung um Dr. Thomas Waldenspuhl und den inzwischen in Ruhestand getretenen Dr. Wolfgang Schlund durchaus Verständnis. Eine Jahre später erneut durchgeführte Befragung untermauerte die ersten Ergebnisse und zeigte in Teilbereichen sogar eine noch deutlich gestiegene Akzeptanz des Nationalparks.
Oft sind Naturschutzgebiete lediglich zwischen 50 und 150 Hektar klein. Große Flächen sind leider die Ausnahme. Aktuell gibt es in Baden-Württemberg 1.045 auf einer Gesamtfläche von etwas mehr als 87.000 Hektar (Stand Sept. 2021). Zu den großen zählen das Wollmatinger wie auch das Wurzacher Ried. Sie sind die Juwelen unter den Naturschutzgebieten des Südwestens. Beide wurden vom Europarat mit dem Europadiplom gewürdigt. Im gesamten Bundesgebiet gibt es lediglich sechs weitere Naturschutzgebiete mit dieser Auszeichnung. Auch bei den Naturschutzgebieten wird eindrucksvolle Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Um besser zu verstehen, wie die Natur tickt und weshalb sie geschützt werden muss, greifen die Organisatoren auf zeitgemäße Darstellungsformen zurück und bereiten diese für eine breite Bevölkerungsschicht multimedial auf. Auch ein zeitlicher Abstecher in längst vergangene Tage gilt als hilfreich, denn er führt dem Betrachter deutlich vor Augen, wie lange sich unsere heutigen Lebensumstände geformt haben und wie schnell wir inzwischen dabei sind sie zu zerstören. Ein Beispiel dafür ist die Ausstellung „MOOR EXTREM“, mit der das Naturschutzzentrum Wurzacher Ried in die Eiszeit entführt.
Weitere Angebote zu zwei herausragenden baden-württembergischen Naturschutzgebieten:
naturschutzzentrum@wurzacher-ried.de
NABU@NABU-Bodenseezentrum.de (Wollmatinger Ried)
Biosphärengebiete – Schutz und Entwicklung Hand in Hand
In Baden-Württemberg werden Biosphärenreservate als Biosphärengebiete bezeichnet. Sie umfassen großräumige Kulturlandschaften mit charakteristischer und vielfältiger Natur, in der über Jahrhunderte wertvolle Lebensräume für Mensch und Natur entstanden sind – quasi eine ureigene Biosphäre. Diese zu erhalten, ist erster Auftrag an diese Schutzgebiete. Sie sind ebenfalls Blaupause dafür, wie die regionale Wertschöpfung in Balance zu den natürlichen Kreisläufen des Schutzgebietes gefördert und weiterentwickelt werden kann.
Münsingen. Das Biosphärengebiet Schwarzwald bedeckt 63.000 Hektar zwischen Schauinsland, Feldberg und Belchen, Schluchsee und Wiesental und damit extensiv genutzte Weidfelder, Moore und Blockhalden, Lawinenbahnen, Wälder und zahlreiche Fließgewässer, die auch Flächen des Naturpark Südschwarzwald sind. Biosphärengebiete gliedern sich in Kern-, Pflege- und Entwicklungszonen. Die Kernzonen haben einen ähnlichen Status wie Bannwälder oder Kernzonen von Nationalparks. Sie sollen sich vom Menschen unbeeinflusst entwickeln. Die Pflegezonen sind überwiegend wie Natur- oder Landschaftsschutzgebiete geschützt. In den Entwicklungszonen soll eine ökologisch ausgerichtete Wirtschaftsentwicklung unterstützt werden. Diese Kriterien und Vorgaben sind gesetzlich im § 28 des Landesnaturschutzgesetzes und § 23 des Bundesnaturschutzgesetzes verankert. Biosphärenreservate sind jedoch weit mehr als geschützte Landschaften. Sie verstehen sich als wichtiges Instrument, den Menschen die Natur wieder näherzubringen, ihnen deren Sensibilität zu vermitteln und vielschichtig Aufklärung und Bildung zu betreiben. So gestalten sich die Aufgaben der Reservate, die von den jeweils eingesetzten Geschäftsstellen gesteuert werden, äußerst facettenreich. Auf den Homepages der Biosphärenreservate Schwäbische Alb und Schwarzwald finden sich Themen zu naturnaher und regionaler Lebensmittelproduktion, Biosphärenschulen, sozialen und wirtschaftlichen Kooperationen, Ausflugstipps und natürlich die Aufforderung an jeden, der die Philosophie unterstützt, respektive sie kennenlernen möchte, aktiv mitzuwirken. Das Motto liest sich schön: „Aktiv für eine lebendige Zukunft“.
Weitere Informationen zu den beiden Biosphärengebieten in Baden-Württemberg:
www.biosphaerengebiet-alb.de www.biosphaerengebiet-schwarzwald.de
NATURA 2000 – Schatzkiste der Natur, Juwelen des Landes
NATURA 2000 ist ein europäisches Schutzgebietsnetz. Es umfasst Vogelschutzgebiete und Fauna-Flora-Habitate – kurz FFH-Gebiete – aller Mitgliedsstaaten. Fauna steht für die Tier- und Flora für die Pflanzenwelt. Habitat bezeichnet den Lebensraum. NATURA 2000 ist das größte Schutzgebietsnetz weltweit. Es verfolgt das Ziel, die biologische Vielfalt zu sichern, einen weiteren Lebensraumverlust und Artenschwund zu verhindern und so das europäische Naturerbe zu bewahren. Nachhaltiges Wirtschaften ist erlaubt, sofern es den ökologischen Zustand dieser Gebiete nicht verschlechtert.
Baden-Württemberg weist 302 NATURA 2000-Gebiete mit einer Gesamtfläche von über 635.000 Hektar aus. Dies entspricht etwa 17,54 Prozent der Landesfläche. Oft sind diese Gebiete auch durch eine deutsche Schutzgebietskategorie geschützt, also z.B. Teil eines Naturschutzgebiets oder des Nationalparks. Die landesweiten FFH-Gebiete sind reich an Lebensräumen mit Tier- und Pflanzenarten, die europaweit geschützt sind. Diese Schatzkisten der Natur verteilen sich auf aktuell 431.000 Hektar und 212 Flächen, die Baden-Württemberg 2001 und 2005 an die Europäische Kommission gemeldet hat. Rechtsverbindlich festgelegt sind sie über Verordnungen der vier Regierungsbezirke Baden-Württembergs: Stuttgart, Karlsruhe, Freiburg und Tübingen. Die Europäischen Vogelschutzgebiete sind in Baden-Württemberg durch die Vogelschutzgebietsverordnung (VSG-VO) rechtlich gesichert.
Gesetzlich geschützte Biotope – Schutz im Detail
„Bios“ ist griechisch und bedeutet Leben – und „Topos“ Raum. Der Begriff Biotop bedeutet also Lebensraum. Doch er bezeichnet viel mehr: einen räumlich abgegrenzten Lebensraum mit einheitlichen Lebensbedingungen für eine charakteristische Pflanzen- und Tierwelt. Gesetzlich geschützte Biotope sind besonders wertvolle Biotope. Meist sind es gefährdete Lebensräume, einzigartig für ihren Naturraum. In Baden-Württemberg trifft das beispielsweise auf Streuwiesen zu, auf Land-Schilfröhrichte über naturnahe Uferbereiche und Flachwasserzonen des Bodensees bis zu offenen Felsbildungen, Stollen und Dolinen oder Trockenmauern und Steinriegel. Definiert werden gesetzlich geschützte Biotope anhand ihrer Vegetation, ihrer Artenzusammensetzung und ihres Standorts. Sie sind selbst ohne explizite Ausweisung per Gesetz geschützt. Ihr Standort kann auch innerhalb eines anderen Schutzgebietes, in gestatteten Ausnahmen sogar innerhalb besiedelter Flächen liegen, etwa im Fall von Blockhalden. Handlungen sind eingeschränkt erlaubt, falls sie der Pflege oder Wiederherstellung dienen. Das gilt für bestimmte land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Nutzungen. Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) erfasst, beschreibt und kartiert die gesetzlich geschützten Biotope im Offenland, die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) jene im Waldbereich. Die Listen werden regelmäßig aktualisiert, mindestens alle zwölf Jahre, und durch die Behörden veröffentlicht. Ebenfalls einsehbar sind sie über die jeweiligen Gemeinden.
Landschaftsschutzgebiete können nach ökologischen, ästhetischen, kulturhistorischen oder zu Erholungszwecken per Rechtsverordnung der Naturschutzbehörden ausgewiesen werden. Dabei genügt einer dieser Aspekte. Ihre Ausweisung ist einfacher als bei anderen Schutzgebietsformen, ihre Schutzintension aber auch geringer. Im Gegensatz zu Naturschutzgebieten, die menschliche Einflüsse möglichst einschränken, sind diese in Landschaftsschutzgebieten ein wesentliches Merkmal. Verboten ist lediglich, was den Gesamtcharakter des Gebietes verändert. Das betrifft insbesondere die Bebauung. Eine ordnungsgemäße Land-, Forstwirtschaft und Jagd sind hingegen zulässig, sofern sie nicht gegen den Schutzweck verstoßen. Die Bewirtschaftung der Flächen ist teilweise sogar notwendig, um den Kulturlandschaftscharakter zu erhalten. Auch das Fällen von Bäumen oder ein Versetzen von Hecken sind erlaubt, sofern diese kein prägendes Landschaftselement darstellen. Landschaftsschutzgebiete sind in der Regel großflächig. Häufig dienen sie als Pufferzone zwischen den meist viel kleineren und hoch geschützten Naturschutzgebieten.
7 Naturparke – Fokus Entwicklung ländlicher Raum
Mit mehr als 35 Prozent stellen die sieben Naturparke zwar die größte Schutzgebietsfläche in Baden-Württemberg, doch strenge Schutzvorschriften sind mit deren Ausweisung nicht verbunden. Ihre Flächen verteilen sich auf knapp 1.274.300 Hektar facettenreicher Kulturlandschaft im Neckartal-Odenwald, Stromberg-Heuchelberg, Schwäbisch-Fränkischer Wald, Schwarzwald Mitte/Nord, Südschwarzwald, Obere Donau und Schönbuch. Naturparke sind als Vereine organisiert. Sie setzen sich für den Erhalt sensibler Lebensräume und Kulturlandschaften ein, engagieren sich in der Umweltbildung wie in der Pflege von Brauchtum und traditionellem Handwerk. Ihr Hauptaugenmerk gilt aber der nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums. Dafür sind sie Impulsgeber und Netzwerker. Sie initiieren vielfältige Projekte, die sie mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg, der Lotterie Glückspirale und der Europäischen Union anstoßen und umsetzen.