Sie sind nun ein Jahr Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft. In welchem Klima arbeiten Sie gerne, woraus ziehen Sie Energie und welche Umwelt, also welcher Ort, ist Ihnen dafür der liebste?
„Wo Menschen sich hinter einer Idee versammeln, wo sie gemeinsame Ziele verfolgen, in solch einem Umfeld arbeite ich unwahrscheinlich gerne. Das ist im Umweltministerium der Fall. Wir arbeiten an Lösungen, die unser aller Lebensgrundlagen betreffen. Dessen ist sich jede und jeder im Haus bewusst. Das schafft ein verantwortungsvolles und sinnhaftes Arbeitsklima. Stimmt das, spielt der Raum drum herum keine große Rolle mehr. Das gibt mir auch viel Energie zurück. Und sollte sie dennoch knapp werden, atme ich am liebsten in der Natur durch. Das tue ich an keinem speziellen Ort, es ist abhängig vom Moment.“
Ein solcher Moment war möglicherweise auch der Besuch im Nationalpark Schwarzwald, einer Ihrer ersten Termine im Amt. Was war Ihr erster Eindruck?
„Der Nationalpark ist in der Tat eine ganz besondere Energiequelle. Diese urwüchsige Natur, die sich nun ungestört ausdehnen darf, ist sehr eindrücklich zu sehen. Das ist nicht zu vergleichen mit stadtnahen Wäldern, wie wir sie meist kennen. Ich kann nur jedem empfehlen, das selbst zu erleben.“
Wie gefällt Ihnen das neue Nationalparkzentrum am Ruhestein?
„Dieser Holzbau ist ein architektonisches Highlight. Er fügt sich wie selbstverständlich in das Landschaftsprofil. Durch die großen Sichtbeziehungen zum Wald wähnt man sich drinnen mitten in der Natur. Wenn man so will, spiegelt das Gebäude den Nationalpark. Das ist großartig gemacht.“
Welcher Teil der Ausstellung hat Sie besonders angesprochen?
„Schwer zu sagen. Dass Natur nicht nur erklärt wird, sondern über vielfältige Sinneserfahrungen wie tasten, riechen oder hören erlebbar ist, begeistert mich ebenso wie die Einblicke in biologische Abläufe, die man in der Natur nicht ohne weiteres verfolgen kann. Beispielsweise wie sich ein Mykorrhiza-Pilz unterirdisch Kilometer weit vernetzt. Die moderne Technik lässt sogar Bäume im Zeitraffer für uns wachsen. Diese Filme geben der Natur eine Stimme. Sie sind sehr berührend gemacht und nehmen die Betrachterinnen und Betrachter für die Natur ein. Und das hilft letztlich dabei, sie besser verstehen zu wollen und auch zu können.“
Der Nationalpark arbeitet stark mit Schulen und Kindergärten zusammen, macht viele Führungen und hat ein umfangreiches Vortragsprogramm. Wie schätzen Sie als ausgebildete Naturpädagogin seine Rolle als Bildungseinrichtung ein?
„Er übernimmt eine sehr wichtige Funktion, davon bin ich überzeugt. Dass Natur für unsere Gesundheit, für eine gesunde Entwicklung von klein auf notwendig ist, wissen wir nicht erst seit der Pandemie. Naturbegeisterung kann man also nicht früh genug erlernen. Der Nationalpark bietet die einmalige Chance, Natur zu begreifen. Er veranschaulicht, wie ein Wald funktioniert, wenn er nicht bewirtschaftet wird. Unser Ministerpräsident würde es so formulieren: „Als ob der Herrgott selber wirtschaftet“. Die Kooperationen der Wildnisbildung mit Kindertagesstätten und Schulen sind deshalb wertvolle Bausteine im Umwelt- und Artenschutz. Es ist nur konsequent, dieses Setting auch zur Weiterbildung der Erzieherinnen und Erziehern sowie Lehrerinnen und Lehrer zu nutzen.“
Wie sollte Ihrer Meinung nach die Naturschutzkommunikation der Zukunft aussehen, damit sie vor allem auch die nachwachsende Generation erreicht?
„Ich glaube fest daran, dass nachhaltiger Naturschutz nicht allein über das Adressieren von Botschaften funktioniert, sondern nur kombiniert mit Teilhabe. Indem wir die Ideen der Jugendlichen fördern und ihren Willen zum Engagement unterstützen, halten wir ihr Interesse hoch. Das gelingt niemals von oben, von Eltern oder Lehrkräften übergestülpt, sondern nur aus eigener Begeisterung. Und die wächst leichter, wenn man mehrere Tage im Nationalpark verbringen oder Pate für die Natur werden kann. Kinder und Jugendliche brauchen Raum, um selbst etwas zu entwickeln. Wir müssen ihnen Lücken lassen, obwohl wir Erwachsenen gerne dazu neigen, alles durchzustrukturieren.“
Die Gründung des Nationalparks liegt nun schon acht Jahre zurück. Wie nehmen Sie ihn heute wahr, wie gut ist er in Region und Land verankert?
„Seit einem Jahr bin ich Ministerin und genau so lange sitze ich unter anderem auch im Nationalparkrat gemeinsam mit Bürgermeisterinnen, Bürgermeistern und Landräten an einem Tisch. Noch bevor wir darüber reden, wie es weitergeht, frage ich erst nach, wie es ist. Die Rückmeldungen sind überwiegend positiv. Sei es von Menschen, die dort leben oder arbeiten, von Gastronomen oder KommunalpolitikerInnen. Wenn man bedenkt, wie umstritten der Start des Nationalparks war, stelle ich ganz klar fest, dass er angekommen und in der Region etabliert ist. Nicht nur dort, auch im ganzen Land. Das bestätigen die Besucherzahlen und die mediale Resonanz. Natürlich liegt der Zuspruch nicht bei 100 Prozent. All jene, die mit der Holzwirtschaft Geld verdienen, sehen das natürlich etwas kritischer, dessen bin ich mir bewusst.“
In welchem Zeitfenster ist Weiterentwicklung realisierbar und wo sehen Sie Hürden?
„Abschließen wollen wir die Weiterentwicklung noch in dieser Legislatur, das heißt bis 2026. Alle nötigen Prozesse dafür sind angestoßen. Auch wenn es eine Entscheidung ist, die am Ende der Landtag von Baden-Württemberg treffen wird, beteiligen wir die BürgerInnen der Region an diesem Prozess. Deren Ideen und Rückhalt sind immens wichtig.“
„In diesem Fall ist es unter anderem ein Bürgerforum, über das übrigens alle Baden-WürttembergerInnen Ideen und Anregungen einbringen können. Alle Perspektiven werden zu Wort kommen. In einer Rückschau gibt es immer Punkte, die man verbessern kann, die man vielleicht zu Anfang überbewertet oder vernachlässigt hat. All das wird ausgewertet, gebündelt und eingeplant. 2022 steht ganz im Zeichen dieses Beteiligungsprozesses.“
Wie sehen die nächsten Meilensteine aus?
„Wir führen Gespräche mit Eigentümern in den Gebieten, die für die räumliche Erweiterung in Frage kommen. Außerdem sind Veranstaltungen und Workshops geplant, um die BürgerInnen zu informieren und bei allen Entscheidungen mitzunehmen. So halten wir den kompletten Prozess transparent, und so können wir ihn auch vorantreiben.“
Welche Rolle spielen Nationalparkrat und -beirat dabei?
„Deren Engagement ist ganz entscheidend, gerade auch für das Gelingen des Beteiligungsprozesses. Diese Gremien sind die Schnittstelle zu den Einwohnern, in die Politik und hinein in die jeweiligen Ämter oder Verwaltungen, die mit am Tisch sitzen. Darunter sind VertreterInnen aller Gemeinden und Tourismusverbände, der Forst-BW und Landkreise, aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verkehr, der Zivilgesellschaft und diverser Behörden. In beiden Gremien ist die Stimmung sehr gut. Die Treffen finden regelmäßig statt. Das ist auch wichtig, es erlaubt Vieraugengespräche, und die sind durchgehend positiv.“
Ministerin ist kein Ausbildungsberuf, wohl eher eine Berufung. Wie haben Sie sich auf diesen Job vorbereitet?
„Stimmt, lernen kann man Ministerin nicht. Ich kann aber sagen, was nicht schadet, um sich in einem solchen Amt zurechtzufinden: Dazu zählt sicherlich, dass ich als Landesvorsitzende und als stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen bereits Führungserfahrung gesammelt habe. Das hilft, um ein Ministerium mit knapp 500 MitarbeiterInnen zu leiten. Dass es das Umweltressort geworden ist, scheint mir nur konsequent. Ich bin in die Politik gegangen, um etwas für die Umwelt zu bewirken, für den Arten- und Klimaschutz. Nun bin ich in einer Funktion, über die das möglich ist.“
Wie sahen Ihre ersten Wochen aus?
„Anspruchsvoll und intensiv. Doch die Zeit ist wie im Flug vergangen, weil alles so spannend ist. Im Umweltministerium wird eine wahnsinnige Bandbreite an Themen bearbeitet. Natürlich musste ich mein Wissen über Böden, Wasser, Luft, Rohstoffe, Kreislaufwirtschaft oder biologische Prozesse schnell vertiefen. Mein erster Termin war der Besuch einer Kläranlage mit Reinigungsstufe 4, die Spurenstoffe wie etwa Rückstände von Arzneimitteln herausfiltert. So etwas lernt man nicht zwingend als Naturpädagogin. Und mir wurde schnell klar, dass wir mehr als bisher vermitteln müssen, dass Naturschutz, der Erhalt der Artenvielfalt und die Energiewende nicht getrennt zu betrachten sind, sondern zusammengehören. Intakte Ökosysteme sind unsere Lebensgrundlage. Um diese zu erhalten, müssen wir uns von Öl, Gas und Kohle verabschieden. Hinzu kommt natürlich auch noch die Notwendigkeit, uns von Abhängigkeiten zu befreien, wie wir seit dem brutalen Einmarsch Putins in die Ukraine schmerzlich erfahren mussten.“
Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?
„Dass es wahnsinnig wichtig ist, Böden und Bereiche zu haben, die ein natürlicher Speicher und Filter für sauberes Wasser sind. Ein Wald mit seinen vielen Wurzeln reguliert den Wasserspiegel, Moore sammeln und filtern Wasser. All das zu erhalten, macht das Leben nicht nur schöner, sondern sichert es vor allem. Über den Nationalpark lernen wir, wie sich der Wald selbst reguliert, wie er auf Klima-Änderungen reagiert. Das sind unschätzbar wertvolle Erkenntnisse. Wir arbeiten hier an und für etwas, das weit über uns hinausgeht.“
Dann ist das Ihr weiterer Schwerpunkt in dieser Legislatur?
„Natürlich. Der zweite riesengroße Schwerpunkt ist der Erhalt der biologischen Vielfalt. Ein gesundes Ökosystem ist unsere Lebensgrundlage und Garant für sauberes Wasser. Wir müssen endlich begreifen, wie all diese Themen auch mit der Energiewirtschaft zusammenhängen. Und dabei will ich die BürgerInnen mitnehmen, sie beteiligen, und ich will sie dafür begeistern, sich zu engagieren. Jeder kann etwas tun. Der Erhalt unserer Lebensgrundlage – das ist ja auch Leitidee des Nationalparks.“
Ein schönes Schlusswort. Herzlichen Dank für das Gespräch!