Aziliz Virolle tauscht die salzige Meerluft mit Tannenduft
Der salzige Duft des Meeres in der Bretagne ist ein starker Kontrast zu diesem nebligen Wintertag im Schwarzwald. Aziliz Virolle denkt gerne an ihre Heimat und freut ich auch auf ihre Rückkehr, doch jetzt nimmt sie auch das Winterwetter und die mitunter eisigen Temperaturen droben auf dem Ruhestein in Kauf. „Was soll ich sagen“, sagt die 21 Jahre alte Französin mit einem Augenzwinkern, „in der Bretagne regnet es zweimal pro Tag. Da kann man auch den Winter im Schwarzwald aushalten.“
Aziliz Virolle ist eine von den vielen jungen Menschen aus dem In- und Ausland, die sich um ein Praktikum beim Nationalpark beworben haben. Zunächst hatte sie einen Bewerbungsbrief abgeschickt und nach einer ergänzenden Mail hatte sie sehr zügig die begehrte Zusage in der Tasche. So schnell geht’s beim Nationalpark, wenn die Vorbedingungen stimmen. Die junge Französin, die ein sehr ordentliches Deutsch spricht, fegte durch die Schule wie ein Wirbelwind. Abi mit 17, anschließend ein Studium in Biologie und Umweltwissenschaften, den Bachelor mit 21. Die Überlegung, ein weiteres Studium der Naturwissenschaften anzuschließen, legte sie spätestens ad acta, als Corona nur noch Online-Studiengänge zuließ. „Etwas über die Umwelt zu lernen, dabei aber zuhause vor dem Bildschirm zu sitzen, machte für mich keinen Sinn“.
Was also tun? Aziliz, die gerne in der Natur unterwegs ist und als ein Kind des Meeres eigentlich nichts über den Wald weiß, erinnerte sich an ihren Schüleraustausch in Villingen-Schwenningen und fasste den Entschluss, ins Ausland zu gehen; am besten dorthin, wo das Land nicht so eben und der Wald umso dichter ist. Bestärkt wurde sie von ihrer Mutter, die in Tübingen studierte. Drei Zusagen hatte das pfiffige Mädchen auf ihre unterschiedlichen Bewerbungen erhalten, doch der Nationalpark hatte es ihr angetan.
„Die Entscheidung war richtig“, sagt sie, „es ist alles neu für mich, jeden Tag gibt es etwas zu entdecken, die Arbeit macht riesigen Spaß.“ In der Nationalparkverwaltung ist Aziliz Virolle den pädagogischen Fachkräften zugeteilt. Sie hat einen Draht zu Kindern und liebt es, mit den Kleinen zu
arbeiten. Raus in den Wald bei Wind und Wetter, Schneeschuhwandern im Winter, Exkursionen im Sommer. Bis zu ihrer Rückkehr Ende August möchte sie es schaffen, auch Gruppen allein zu betreuen. Bis dahin wird sie die deutsche Sprache verfeinern und vor allem die vielen „Fachbegriffe“ intus haben. „Zurzeit“, sagt sie lachend, „lerne ich noch genauso viel wie die Kinder“.
Ihr beeindruckende Zielstrebigkeit setzt sie mit ihrer Nationalparkepisode fort. Nicht umsonst lernt sie bei den Pädagogen, denn für ihr späteres Berufsleben soll der Umgang mit Kindern in der Natur ihr zentrales Thema werden. Dabei hat sie nicht nur Träume, sondern konkrete Vorstellungen. Ein Hof, irgendwo in der Bretagne, am besten mit ihrem Freund, Honigbienen, eigener Anbau und Freizeiten oder Unterricht mit Kindern. Gerne täglich. Es ist die Selbstständigkeit, in die es sie zieht; sie möchte ihrem Leben und ihren Vorstellungen von Pädagogik im Grünen ihren Stempel aufdrücken. Die Schritte, die zu gehen sind, um dorthin zu gelangen, sind ihr klar. Eine einjährige Zusatzausbildung mit dem Diplom in Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit will sie noch absolvieren, dann stehen ihr genügend Möglichkeiten offen. Sie ist aber keine, die ihre Ziele mit Verbissenheit verfolgt. „Ich mache mir keinen Druck, genieße vielmehr den Weg dorthin“.
Heimweh verspürt Aziliz keines. Mit den anderen jungen Praktikanten lebt sie im ehemaligen Hotel Adler, und man kann getrost davon ausgehen, dass dort für Trübsal wenig Platz ist. Lediglich das Rauschen des Meeres und den keltischen Tanz, der im Schwarzwald nicht sonderlich verbreitet ist, vermisst sie sehr. Auch Segeln
und Surfen stehen hier nicht zu Debatte. Diese Durststrecke hat aber auch ihr Gutes: „Ich habe gelernt zu überleben. Bei Minusgraden!“