Der Nationalpark Schwarzwald, 2014 gegründet, hat in den zurückliegenden Jahren fraglos Respektables auf die Beine gestellt. Die vielen Themen, die im Nationalparkplan beschrieben sind, arbeitet die Nationalparkverwaltung professionell ab, vor allem aber gelingt es den Mitarbeitern, mit ihrem Auftreten und Handeln die Akzeptanz in der Region nachhaltig zu verbessern. Das war bekanntlich nicht immer so. Derzeit läuft der Weiterentwicklungsprozess und es ist anzunehmen, dass die insgesamt gute Stimmung den transparenten Prozess, der jetzt angestoßen wurde, konfliktfreier durchlaufen lässt als die Gründungsphase. Und dennoch: Wo gehobelt wird, fallen Späne, sagt der Volksmund, und da im Nationalpark reichlich gehobelt wird, kommt immer klarer zur Ansicht, dass das eigene Handeln auch zu Konsequenzen führt, die nicht immer konfliktfrei sind.Als Teil der inhaltlichen Weiterentwicklung soll dem jetzt mit einem umfassenden Besucherlenkungskonzept entgegengewirkt werden. Dominik Rüede, beim Nationalpark für die Koordination dieser Mammutaufgabe zuständig, fasst zusammen: „2018 wurde der Nationalparkplan mit den einzelnen Modulen verabschiedet. In der darauffolgenden Umsetzungsphase wurde jedoch schnell deutlich, dass kein Weg an der Erstellung eines ganzheitlichen, datenbasierten und fachbereichsübergreifenden Besucherlenkungssystems vorbeiführt.“
Es klingt wie nach dem Fluch der guten Tat, wenn Dominik Rüede erklärt, zu welchen Auswirkungen das Erreichte bisweilen führt. Man kann auch sagen, es gleicht der Quadratur des Kreises. Der Nationalpark soll Naturschutz und da vorrangig den Prozessschutz gewährleisten. ey hat ihm die Landesregierung ins Stammbuch geschrieben, das Gebiet auch zu Forschungs-, Umweltbildungs- und Erholungszwecken zu öffnen und sich dem Tourismus nicht zu verschließen. Hier verbergen sich von Haus aus durchaus Widersprüche. Rüede: „Zwischenzeitlich hat sich das Schutzgebiet etabliertund verzeichnete im Zeitraum Mitte 2020 bis Mitte 2021 zum ersten Mal über eine Million Besuche. Über dieses Interesse freuen wir uns sehr“. Anteil daran hätten bestimmt auch das umfassende Verkehrskonzept mit einer verbesserten und attraktiven Anbindung an die Nachbarregionen unterhalb des Nationalparks sowie die touristischen Bestrebungen der Nationalparkregion.
Aber der Mensch als solcher, zumal in diesen Massen, bleibt nicht unbemerkt. Wandern, Biken, Wintersport – die Klassiker in der Region sind eine Komponente des Besucheraufkommens. Die anderen sind eine immer größer werdende Anzahl von pädagogisch-wissenschaftlichen Veranstaltungen des Nationalparks, die besucht werden, oder das prächtige Nationalparkzentrum selbst. Und künftig werden zusätzliche attraktive Angebote im geplanten Nationalparkhaus in Herrenwies entstehen.
Das Bild einer Idylle in den Bergen bekommt nämlich Risse, wenn man Dominik Rüede aufmerksam zuhört: „Auf der Fläche des Nationalparks begegnen sich Mensch und Natur auf vielfältige Art und Weise, aber auch Mensch und Mensch mit unterschiedlichen Bedürfnissen.“ Und diese Begegnungen sind – vorsichtig gesagt – nicht immer konfliktfrei. Beispiele gefällig? Doppelbelegung der Wege durch Wanderer und E-Biker im Sommer oder Ski-Langläufer und Wanderer im Winter. Da fällt schon mal das eine oder andere Wort. „Oft steckt nur eine gewisse Orientierungslosigkeit dahinter oder Handlungsunsicherheit, wo man was darf und was nicht“, sagt Rüede. Auch das soll mit dem neuen Konzept verbessert werden. Weiter gehören zu unliebsamen Begleiterscheinungen: übervolle Parkplätze, Verstöße gegen das Querfeldein-Laufen, wildes Zelten, Abfälle und Trittschäden oder Übernutzung der Lehr- und Erlebnispfade. „Und natürlich spielt sich das Ganze nicht nur auf der Fläche ab, sondern auch im digitalen Raum, weil Anbieter im Internet leider noch genügend Touren vorschlagen, die nicht zu unserem Wegekonzept passen“.
Die gesteigerte Attraktivität des Nationalparks war erwünscht und ist sicherlich eine Bereicherung für die gesamte Region. Doch spätestens jetzt hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die 2020 gegründete nationalpark-interne „Taskforce-Besucherlenkung“ nicht mehr ausreicht, um Konfliktsituationen zu entschärfen oder sie erst gar nicht aufkommen zu lassen. Rüede: „Es ist uns damit zwar gelungen, bei Einzelereignissen schnell und effizient zu reagieren, aber vor allem die beiden letzten Jahre haben uns gezeigt, dass die bestehenden Maßnahmen zwingend um ein zusammenführendes und fachbereichsübergreifendes Konzept erweitert werden müssen.“ Ganz wichtig dabei sei die Einbettung in bestehende Überlegungen relevanter umgebender Akteure wie die touristische Nationalparkregion und der Naturpark. Und dies, so ergänzt der Koordinator, sei kein einmaliges Projekt, sondern eine zentrale Daueraufgabe.
Was Rüede damit sagen will: Wenn das Besucherlenkungskonzept greifen soll, müssen alle Fachbereiche der Nationalparkverwaltung ins Boot geholt werden. Sie bedingen einander und sind oftmals selbst auch Auslöser von Ursache und Wirkung. Rüede: „Alle MitarbeiterInnen des Nationalparks bringen aufgrund ihres professionellen Hintergrunds andere Perspektiven und Schwerpunkte ein. Den einen ist daz. B. wichtig, das Nationalparkgebiet möglichst erlebbar zu machen und den anderen, dass die Fläche möglichst beruhigt ist.“ Es sei daher wesentlich, nicht nur seine Aufgabe zu sehen, sondern sich auch in die Belange der anderen einfühlen zu können. Was bedeutet, dass im Nationalpark-Kosmos viel kommuniziert und um gegenseitiges Verständnis geworben werden muss.
Unter diesen Umständen verzeichnet es Rüede als überaus positiv, dass bislang noch „kein Hauen und Stechen“ eingetreten ist, und er bei den Betroffenen eine große Konsensbereitschaft ausgemacht hat. Auch die Region, die ja den Tourismus ankurbeln soll, wisse und akzeptiere, dass nicht alles Wünschenswerte umsetzbar sei. Gleichwohl – und das ist sicher ein vernünftiger Ansatz – wird der interne Prozess mit externer Expertise überbaut. Ein auf Besucherlenkung mit all seinen Facetten spezialisiertes Ingenieurbüro aus Österreich übernimmt in enger Abstimmung mit dem Nationalpark die Konzepterstellung, soll divergierende Vorstellungen ausbalancieren und einen Weg aufzeigen, wie Angebot und Nachfrage mit strukturellen Aufgaben und Abläufen zusammengebracht werden kann. Im Detail berührt das Konzept die klassische Besucherlenkung durch Gestaltung der Infrastruktur, Beschilderung, Printerzeugnisse, Veranstaltungen, Wegenutzung und Gebietsgliederung, Tourismus und Verkehr, Wegeunterhaltung, Wissenschaft und Bildung, Verkehrssicherung und Naturschutz. Zusammengefasst: Eigentlich alles! „Aus den bisher gemachten Erfahrungen liegen bereits eine Reihe von Reflexionen und Verbesserungsvorschlägen auf dem Tisch und auch die Nationalparkregion bringt konkrete Planungen mit ein“, sagt Rüede. Dies alles müsse nun zusammengeführt, weiterentwickelt und verzahnt werden. Im Herbst 2023 soll der Nationalparkrat das Konzept verabschieden. Idealerweise ohne Hauen und Stechen.