Die Frauen und Männer der ersten Stunde des Freundeskreises Nationalpark Schwarzwald dürften sich rund eine Dekade zurückversetzt fühlen, wenn sie jetzt nach Bayern blicken, genauer gesagt in den Steigerwald rund um Ebrach und quasi vor den Toren Bambergs. Alles, was sie in den letzten zehn Jahren mitgemacht, wofür sie schlussendlich erfolgreich gekämpft haben, läuft jetzt wie eine Filmwiederholung in den Köpfen ab. Es geht um die Gründung des Nationalpark Steigerwald, des dritten in Bayern, und wenn man sich nicht grundlegend täuscht, steht den Befürwortern im Nachbarland der wahre Kampf erst noch bevor.
Seit rund 15 Jahren wird darüber diskutiert und gestritten, ob der außergewöhnliche und ökologisch höchst bedeutsame Hohe Buchene Wald mit seinen knapp 8.000 majestätischen Buchen als Kernzone eines künftigen Nationalparks ausgewiesen wird oder nicht. Die Argumente, die hin- und hergeschleudert werden, kennen sie im Schwarzwald in- und auswendig. Schon 2017 schrieb der Spiegel: „Wie so oft, wenn um den deutschen Wald gestritten wird, geht es unversöhnlich ums Prinzip. Auf der Gegenseite kämpfen Forstbetriebe um den Holzertrag, Jäger um die Hoheit im Revier und Bürgermeister um die Freiheit, Gewerbe- gebiete auszuweisen.“
Der Unterschied zum Schwarzwald: Hier ging es kurz und knackig zu, vom Zeitpunkt, als die Landesregierung die Pläne aus der Schublade holte, bis zur Gründung. In Bayern diskutieren sie schon ewig, was die Angelegenheit nicht leichter macht. Politische und taktische Winkelzüge waren an der Tagesordnung; ein heimischer Landrat beschloss, einfach ein Gebiet unter Schutz zu stellen, die Landesregierung beschnitt darauf die Kompetenzen der Regionalfürsten. Vor allem die bayerische Landesregierung mag sich so gar nicht mit diesem Projekt anfreunden. Bislang jedenfalls! Doch nun kommt wieder etwas Bewegung in die Diskussion, weil die Befürworter im Nationalparkbündnis das Thema auf die Tagesordnung des Landtagswahlkampf setzten. Ministerpräsident Söder, so der Appell der Auftaktveranstaltung zu einer Kampagne in Bamberg, solle den ersten Nationalpark in Franken auf den Weg bringen und somit „ein tatkräftiges Zeichen für die Jugend“ setzen. Bis zu seiner angestrebten Wiederwahl im Herbst 2023 hat er also ein Projekt auf dem Tisch, bei dem er nach CSU-Lesart aus heutiger Sicht wohl wenig Punkte sammeln kann. Mit der SPD, den Grünen und der FDP und gegen die eigenen CSU-Lobbisten, von denen einer ganz vorne in der Riege der organisierten Gegner zu finden ist. Das kann keinen Spaß machen.
Gleichwohl wissen wir aus der Vergangenheit, dass Söder eine gewisse Flexibilität an den Tag legen kann, wenn es opportun erscheint. Und da spielen die aktuellen Umfragen den Nationalparkfreunden deutlich in die Karten, weil sich inzwischen eine satte Mehrheit der Bevölkerung, über 70 Prozent, für die Gründung ausgesprochen hat. Eine nicht unerhebliche Steigerung im Verlauf der letzten Jahre.
Dass die Menschen im Steigerwald so ticken, ist sicher nicht nur den Argumenten der Befürworter zu verdanken, sondern auch der allgemeinen Entwicklung, die das Thema Erhalt der Lebensgrundlagen ganz nach oben gespült hat. Da sollte es nach menschlichem Ermessen nicht mehr zu solch einem Glaubenskrieg kommen, wie er im Schwarzwald stellenweise geführt worden war. Aber man weiß es nie. Dass viele Befürchtungen der Gegner blanker Unsinn sind oder widerlegt werden können, ist an der Entwicklung im Schwarzwald abzulesen und dort, wo legitime wirtschaftliche Interessen der Holzindustrie im Steigerwald eine Rolle spielen, sollte der Staat sicher eine Lösung finden können.
Professor Volker Ihle, Vorsitzender des Freundeskreises Nationalpark Schwarzwald, reichte schon mal die Hand in Richtung Franken: „Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir die dortige Initiative ‚Pro Nationalpark‘ mit Rat und Tat unterstützen.
Es liegt noch ein gutes Jahr bis zur Landtagswahl vor den Streithähnen, aber viel spricht dafür, dass der positive Trend aus Sicht der Nationalparkbefürworter auch die Staatskanzlei in München erreichen wird. Denn wer heute behauptet, dass jeder sterbende Baum ein Fest fürs Leben ist, muss kein Fundamental-Öko mehr sein. Der Slogan ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Ein Telefonat von Markus Söder mit Winfried Kretschmann könnte hierbei helfen. Womöglich wäre dann auch zu erwarten, dass die Töne leiser werden. Eine Hoffnung, mehr noch nicht. Denn noch haut man eher plakativ auf die Pauke. So wie der bekannte Extrem-Bergsteiger Alexander Huber von den Huber-Buam, der in Bamberg in Richtung Landesregierung postulierte: „ Wir können nicht von Brasilien erwarten, dass es seine Wälder schützt, wenn wir in Bayern es nicht mal schaffen, in den Staatswäldern einen Nationalpark einzurichten.“ Der Beifall der Befürworter war ihm gewiss.