Im Nationalpark Schwarzwald ist der Fichtenkreuzschnabel goldrichtig: Rund 70 Prozent des Waldes bestehen aus Fichten und Fichtensamen sind die Hauptnahrungsquelle des Vogels aus der Familie der Finken. Das hält ihn nicht davon ab, im besten Sinne des Wortes ein Wandervogel zu sein – obwohl er kein Zugvogel ist. Er wandert immer dorthin, wo das Nahrungsangebot am größten ist, wo es bei den Fichten – aber auch anderen Nadelbäumen – ein so genanntes „Mastjahr“ gibt. Das ist beispielsweise nach trockenen Sommern der Fall, wenn die feuchtigkeitsliebenden Fichten als Überlebensstrategie besonders viele Zapfen und Samen produzieren. Dann tauchen Schwärme von Fichtenkreuzschnäbeln in Gebieten auf, wo sie sich sonst wenig aufhalten oder schon lange nicht mehr waren. Man spricht dann von „Invasionen“. Nach zwei Jahren wandert er meist wieder zurück. Mit seinen Wanderungen reagiert der flexible Vogel aber auch auf eine starke Populationsdichte – so wie wir Menschen zuweilen aus der Großstadt aufs Land „fliehen“.
Die männlichen und weiblichen Fichtenkreuzschnäbel unterscheiden sich in der Gefiederfärbung, aber ansonsten nicht sehr stark. Die Männchen sind rötlich bis ziegelrot gefärbt mit einem leuchtend roten Bürzel. Flügel und Schwanz sind dunkelbraun. Weibchen sind olivgrün mit einem gelblichen Bürzel. Charakteristisch und namensgebend ist der gekreuzte Ober- und Unterschnabel, wobei die jeweilige Schnabelhälfte mal links, mal rechts überstehen kann. Die Art wird 15 bis 17 Zentimeter groß, die Flügelspannweite beträgt 27 bis 30 Zentimeter.
Sein gekreuzter Schnabel macht es dem Vogel leichter, die Schuppen der Zapfen aufzuspreizen und die Samen herauszuholen. Je nach dem, wie herum sein Schnabel gekreuzt ist, wird die Halsmuskulatur asymmetrisch ausgebildet. Neben Fichtensamen frisst der Fichtenkreuzschnabel auch die Samen von Tanne, Föhre, Lärche und Birke, außerdem Blatt- und Blütenknospen, Nadeln, Früchte und Beeren, im Sommer gelegentlich auch Insekten.
Das Weibchen legt den Nistplatz fest und baut das Nest aus Zweigen, Gräsern und Moosen alleine, meist hoch in einem Nadelbaum, geschützt durch darüber liegendes Zweiggestrüpp. Als einziger Vogel brütet der Fichtenkreuzschnabel auch im Winter, selbst bei tiefsten Temperaturen bis minus 35 Grad, und zieht jährlich zweimal Jungvögel auf. Das Weibchen legt zwei bis vier Eier, aus denen nach 14 bis 16 Tagen die Jungen schlüpfen. Während des Brütens verlässt es das Nest nicht und wird vom Männchen gefüttert, dass die eingesammelte Nahrung heraufwürgt.
Sind die Jungen geschlüpft, werden sie weitere 14 bis 16 Tage vom Weibchen „gehudert“, das heißt, es schützt sie mit seinem Gefieder und seiner Körperwärme, und füttert sie mit Insekten, die das Männchen aus seinem Kropf liefert. Danach suchen die Eltern gemeinsam Futter. Die Jungen können auch bei tiefsten Temperaturen längere Zeit alleine bleiben. Je nach Fütterungshäufigkeit und Tageslänge bleiben die Jungen 16 bis 25 Tage lang als Nestlinge. Wenn sie flügge sind, werden sie noch rund acht Tage von den Eltern gefüttert. Nach fünf bis acht Wochen sind sie selbstständig. Die Jungvögel aus der ersten Brut helfen später bei der Fütterung ihrer jüngeren Geschwister.
Balz und Paarbildung finden zu allen Jahreszeiten statt, außer während der Mauser. Sie schützen die Umgebung ihrer Nester, bilden aber keine größeren Reviere. Wenn sie nicht brüten, vereinigen sich die Kreuzschnäbel zu kleineren oder größeren Gruppen. Oft vermischen sie sich dann mit anderen Kreuzschnabelarten.
Ein derart robuster und flexibler Vogel gilt natürlich nicht als gefährdet, sondern sogar als sicher („secure“). Die weltweite Population wird auf 30 bis 100 Millionen Exemplare geschätzt, das Verbreitungsgebiet von Westeuropa über Eurasien bis nach Ostasien, in Nordafrika sowie Nord- und Südamerika auf 24 Millionen Quadratkilometer.
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