Der Nationalpark Schwarzwald ist in aller Munde. Seit seiner Gründung vor drei Jahren hat er mächtig an Fahrt aufgenommen. Seine wilde Natur, die großartige Landschaft und die vielen spannenden Rangertouren und Veranstaltungen ziehen immer mehr Besucherinnen und Besucher in den Bann. Der allergrößte Teil der Bevölkerung akzeptiert und schätzt den Park. Die erfolgreiche Arbeit des Nationalparkteams beweist: Naturschutz ist kein Gegensatz zu Tourismus und Entwicklung der Region, sondern befördert sie. Die Leiter Dr. Wolfgang Schlund (im Bild rechts) und Dr. Thomas Waldenspuhl ziehen im Interview ein positives Zwischenfazit.
Vor gut drei Jahren wurde der Nationalpark Schwarzwald eröffnet. Wie zufrieden sind Sie mit dem Erreichten?
Dr. Thomas Waldenspuhl: Hoch zufrieden. Wir haben bei null begonnen, Blaupausen gab es nicht. Die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten ankommen und aufgenommen werden. Gleichzeitig gab es eine Unmenge an Themen, die wir abgearbeitet haben. Das „Betriebshandbuch“ Nationalparkplan musste erarbeitet werden. Die darin enthaltenen Module mussten besprochen, begonnen und terminiert werden. Die Politik und unser Umfeld hatten hohe Erwartungen an uns. Wenn ich auf den Stand unseres gesamten Aufgabenspektrums sehe, bin ich sehr zufrieden – auch wegen der Zusammenarbeit einerseits mit Nationalpark-Rat und -Beirat, Gemeinden, Verbänden und Vereinen und andererseits mit unseren Mitarbeitern. Wir haben ein sehr gutes Klima!
Dr. Wolfgang Schlund: Hier können wir ganz konkret werden. Wir haben das Ziel erreicht, dass wir nach drei Jahren komplett sind. Wir sind bei 89 Stellen, die sich 109 Mitarbeiter teilen. Hinzu kommen rund 40 ehrenamtliche Ranger. Das ist beeindruckend in der kurzen Zeit. Wir sind in der Planung sehr gut unterwegs, so wie es uns der Nationalparkplan vorgibt. Unsere Pädagoginnen und Pädagogen sind mit ihrem Konzept sehr weit gediehen, hinzu kommt das Konzept für die mittlerweile 150 Junior Ranger.
Welche Module haben Sie noch in Angriff genommen?
Schlund: Eine ganze Menge. Das Verkehrskonzept mit dem Verkehrsministerium und den Verkehrsverbünden ist schon sehr weit. Das Tourismuskonzept für die Nationalparkregion ist auf dem Weg. Das Wegekonzept steht kurz vor dem Abschluss, ebenso das Waldentwicklungskonzept.
Waldenspuhl: Sehr wichtig ist auch, dass bereits zu Anfang die Kernzonen festgelegt wurden. Das Borkenkäfermodul ist fertig, das Leitbild steht, das Modul „Kirchen im
Nationalpark“ läuft schon.
Schlund: Neben den einzelnen Modulen haben wir auch Querschnittsaufgaben, zum Beispiel Inklusion und Barrierefreiheit oder die Partizipation der Bevölkerung. Was in der Außenwahrnehmung die größte Bedeutung hat, sind die Planung und der Bau des Infozentrums hier am Ruhestein, des Infohauses in Herrenwies und der Rangerstationen.
Waldenspuhl: Wir haben die Aussichtsplattform „Adlerhorst“ erneuert. Sie muss noch eine Weile über dem Abgrund hängen, bis sie begehbar ist. Auch den Lotharpfad haben wir vollendet. Hier wollen wir noch einen Spechtpfad hinzufügen, der nahezu barrierefrei wird. Wir sind dabei, das Wegesystem an den Allerheiligen-Wasserfällen zu erneuern, das ist dringend nötig.
Wenn Sie sich an den Beginn vor drei Jahren zurückversetzen – haben Sie damit gerechnet, dass Sie jetzt so weit sind, wie sie sind?
Schlund: Wir können sagen, dass wir zu 90 Prozent erreicht haben, was wir uns vor drei Jahren vorgenommen haben. Dass wir das so schaffen, hätten wir, glaube ich, nicht erwartet. Es sind aber noch einige Prozent hinzugekommen, die wir nebenbei auch erledigen müssen.
Waldenspuhl: Wir sind im Zeitplan, müssen aber Acht geben, dass wir die Kolleginnen und Kollegen nicht überlasten. Man muss ehrlich sagen: Erfolg geht nur gemeinsam. Wir haben eine tolle Mannschaft und eine exzellente Teamarbeit.
Wie wichtig ist es, dass Sie jetzt personell komplett sind?
Waldenspuhl: Entscheidend. Wir sind erst im Mai 2016 vollständig geworden. Bis dahin haben wir alle Dinge, die intern zu organisieren waren, zurückgestellt, weil wir erst die Mannschaft an Bord bringen mussten.
Schlund: Um so eine große Mannschaft in alle Themen einzuweihen, braucht man Zeit. Wir machen regelmäßig für alle eine Fortbildung. Das kostet Zeit, ist aber enorm wichtig.
Was kam auf Sie zu, womit Sie nicht gerechnet haben?
Schlund: Zum Beispiel gerade der Adlerhorst. Wir wussten nicht, dass wir ihn so intensiv reparieren mussten. Oder die Arbeiten an den Treppen in Allerheiligen oder am Buhlbacher Karsee. Auch die Gehegehütte und die Rangerstation im Tonbachtal waren so nicht eingeplant. Oder bei den Prüfverfahren – wir sind eine Behörde, die auch Genehmigungen erteilen muss. Mehr, als erwartet.
Waldenspuhl: Wir haben auch nicht damit gerechnet, wie sehr wir ständig im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Wir hatten viel Kontakt mit sämtlichen Medien, ob Presse, Fernsehen oder Radio.
Und was lief zäh oder so, wie Sie es sich nicht vorgestellt haben?
Schlund: Das sagen wir nicht (lacht). Nein, was tatsächlich zäh läuft, ist der Schritt hin zu einer Verwaltung. Wir wollen nicht nur reagieren, sondern auch agieren. Wir müssen viele Fäden zusammenbringen und alles muss mit den Verwaltungsvorschriften des Landes zusammenpassen. Natürlich immer verbunden mit reiflicher Überlegung. Das braucht Zeit. Und das ist auch nachvollziehbar. Eine Forstverwaltung gibt es seit ein paar Hundert Jahren, die hat sich immer weiterentwickelt. Ob Polizei oder Schulwesen – alle diese Behörden sind lange etabliert. Aber eine
Behörde wie die unsere gab es bisher nicht. Die so zu stricken – und sie muss ja so funktionieren wie die anderen Behörden auch – , das war ein Kraftakt.
Waldenspuhl: Wenn wir sagen, das war zäh, darf das nicht missverstanden werden. Wir haben große Unterstützung von den Ministerien und Behörden erhalten. Nur haben wir gedacht, das gehe leichter und schneller. Es war und ist auch eine einmalige Chance, zu versuchen, eine Verwaltung aufzubauen, die dem State of the Art entspricht. Weil es noch keine feste Struktur gab, hatten wir Gestaltungsmöglichkeiten. Zäh war auch, dass wir anfangs kein einheitliches Computersystem hatten, die Kommunikation war schwierig. Anfangs lief alles über Handys. Manchmal dachte ich: Jetzt brauchen wir wieder eine Schreibmaschine (lacht).
Wenn Sie jetzt an die nächsten fünf Jahre denken – was sind die wichtigsten kommenden Meilensteine?
Schlund: Das liegt auf der Hand. Wir stellen die Module nach und nach fertig, damit der Nationalparkplan Ende 2018 wie gefordert in trockenen Tüchern ist. Es gibt auch ein, zwei Module, die mit guter Begründung später fertig werden. Zum Beispiel das Wildtiermanagement, weil wir hier auch von unserem Umfeld abhängig sind. So läuft hier eine Konzeption für das Rotwild für den ganzen Nordschwarzwald, in der wir unseren Nationalpark mit einbringen. Und es ist ganz klar, dass wir in den kommenden fünf Jahren das Verkehrskonzept in Teilen umsetzen, parallel
zur Fertigstellung des Besucherzentrums und der Infohäuser. Das wird ein großer Kraftakt.
Waldenspuhl: Wichtig ist auch der Aufbau des Monitoringsystems im wissenschaftlichen Bereich. Erste Schritte für ein sozio-kulturelles Monitoring sind schon getan, ein sozio-ökonomisches ist im Entstehen. Auch im naturwissenschaftlichen Bereich erfolgten erste Schritte für das Monitoring. In den Naturwissenschaften ist zum Beispiel die Erfassung der Arten eine Heidenarbeit, weil diese Mannschaft erst gewachsen ist. Die Erkenntnisse daraus haben Auswirkungen auf das Wegekonzept oder auf den Tourismus, entweder, weil wir etwas zeigen wollen, oder weil wir vorsichtiger sein müssen.
Welche Bedeutung hat der Park für die Region entwickeln können? Wird er als Chance gesehen?
Schlund: Wir sind vielleicht nicht die Richtigen, das zu beantworten. Ich kann aber sagen, was Touristikfachleute geäußert haben: Man müsse erkennen, dass das Tourismuskonzept und die anderen Dinge, die wir tun, ein Paradebeispiel für ein Entwicklungskonzept für die Region seien. Wenn andere das sagen, ist das fabelhaft. Ob wir das wirklich sind, kann ich nicht beurteilen. Aber wir verstehen uns als Motor, als Chance für die Region.
Waldenspuhl: Mit dem Tourismus- oder Verkehrskonzept findet ganz konkret eine lokale Wertschöpfung für die Bevölkerung statt, die woanders nicht produziert werden kann. Wir sind eine Behörde, die hier konkret Arbeitsplätze schafft – auch Teilzeitarbeitsplätze, die familienfreundlich oder für Wiedereinsteiger interessant sind. Was uns am Anfang gar nicht so aufgefallen ist, uns aber ein Bürgermeister vor Augen geführt hat: Es findet ein Dialog über Gemeindegrenzen und Kreisgrenzen hinweg statt, der als sehr inspirierend gesehen wird und ganz andere Sichtweisen
oder Chancen mit sich bringt.
Welche Zugkraft hat die Marke „Nationalpark“ für den Tourismus?
Waldenspuhl: Wir sind ganz klar eine touristische Destination, wollen aber keine eigene Verwaltung im Tourismus aufbauen. Im Tourismusarbeitskreis vor der Gründung des Nationalparks wurde dieser Hinweis herausgearbeitet. Wir haben ihn umgesetzt. Wir sind keine eigenständige Organisation in diesem System , aber wir sind eingebunden, haben daran teil und arbeiten mit.
Schlund: Gelegentlich wird uns vorgeworfen, wir seien zu touristisch ausgerichtet. Da muss man klar sehen: Wir haben unser Profil als Nationalpark und unser Thema heißt „Natur Natur sein lassen“ oder „Wildnis entstehen lassen“ oder „Aufbruch in eine andere Welt“. Es wird in den nächsten fünf Jahren sicher entscheidend, dass wir auf ehrliche und authentische Art und Weise Nationalpark sind. Das wird erwartet. Und davon können der Tourismus und auch andere Wirtschaftszweige profitieren.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Was haben Sie für sich gelernt und was würden Sie sich für sich selbst wünschen?
Schlund: Man lernt täglich dazu. Bei mir ist es zum Beispiel alles, was mit Bau zu tun hat. Demnächst bin ich noch Architekt, Baustelleneinrichter und Betonkutscher (lacht). Zum anderen habe ich auch gelernt, wie wir hier die Verwaltung strukturieren müssen. Mein Wunsch wäre, dass die Ruhe und Gelassenheit, die den Nationalpark ausmachen, auf die Region und unser Umfeld, aber auch auf uns selbst ausstrahlt. Mehr Zeit für alles zu haben und die erforderliche Geduld, einiges auszuhalten, das wünsche ich allen um uns herum und uns selbst.
Waldenspuhl: Was ich zwar gelernt habe, aber woran ich immer noch arbeite, ist Zurückhaltung. Auch gegenüber unseren Kolleginnen und Kollegen, die ihre Arbeit sehr gut machen. Die Zurückhaltung bedeutet auch, dass wir nicht mehr in jedem Detail so tief drin sein müssen, sondern unseren Mitarbeitern vertrauen und ihre Motivation und Verantwortung fördern. Mein Wunsch ist Gelassenheit in vielen Bereichen und auch gegenüber mir selbst. Hier sage ich mit Papst Johannes XXIII.: „Giovanni, nimm dich nicht so wichtig!“
Weitere Infos und Veranstaltungstipp
Wenn ihr mehr über die Struktur der Sonderbehörde Nationalpark Schwarzwald wissen möchtet, könnt ihr euch hier ein PDF herunterladen.
Wenn ihr mit der Nationalparkleitung ins Gespräch kommen wollt, bietet sich die Veranstaltungsreihe „Unterwegs mit der Nationalparkleitung“ an. An sechs Terminen im Jahr könnt ihr hier eure Wünsche, Fragen und Anregungen direkt an die Nationalparkleitung weitergeben – im persönlichen Gespräch und vor Ort. Die nächste Veranstaltung ist am 23. Juni, um 16 Uhr. Treffpunkt ist die Klosterruine Allerheiligen (vor dem Gasthof). Bitte meldet euch vorher an. Per Telefon unter der Nummer +49 7449 92998-444 zu den Öffnungszeiten des Besucherzentrums. Oder per E-Mail. Weitere Termine findet ihr im Veranstaltungskalender des Nationalparks.