„In keinster Weise ein Routinebauwerk“
Das Besucherzentrum des Nationalparks Schwarzwald, in der Landesverwaltung schlicht Nationalparkzentrum genannt, wird voraussichtlich Ende dieses Jahres fertiggestellt. Es hat zwar länger gedauert als geplant und wird am Ende des Tages auch deutlich teurer als veranschlagt, aber unter dem Strich bleibt ein außergewöhnliches Bauwerk, das in Architektur und ökologischem Ansatz dem besonderen Schutzgebiet des einzigen Nationalparks Baden-Württembergs gerecht wird. Holger Probst, kommissarischer Abteilungsleiter in der landeseigenen Bauverwaltung „Vermögen und Bau“, hält das Bauvorhaben „für überaus gelungen“ und relativiert die Zeit- und Kostenprobleme: „Das Nationalparkzentrum war und ist in keinster Weise ein Routinebauwerk“. Dies müsse man bei aller – zum Teil sicher berechtigten Kritik – berücksichtigen.
Im Oktober 2019 machte vor allem in den regionalen Gazetten eine reißerische Schlagzeile die Runde: „Besucherzentrum schafft es ins Schwarzbuch“! Der Bund der Steuerzahler kritisierte darin die Verteuerung von ursprünglich 20,5 auf 50 Millionen Euro und prangerte demzufolge natürlich eine erhebliche Steuerverschwendung an. Holger Probst, darauf im November angesprochen, trat aber keineswegs der kalte Schweiß auf die Stirn; vielmehr tat er, was bei all der Aufgeregtheit der modernen Mediengesellschaft nicht selten verloren geht – er schärfte den Blick auf die Fakten. Ja, es sei teurer geworden und nein, es habe keine Verschwendung von Steuern gegeben. Die Kosten nur für den Bau seien von 20,5 Millionen auf 35,5 Millionen Euro gestiegen. Ursächlich hierfür sei die boomende Bauwirtschaft, die sich erheblich auf Bauvorhaben – nicht nur des Nationalparkzentrums – auswirke. In einer Pressemitteilung des Finanzministeriums wird Ministerin Sitzmann sehr bürgernah zitiert: „Was jeder kennt, der derzeit einen Handwerker braucht, geht auch am Land als größtem Bauherrn in Baden-Württemberg nicht spurlos vorüber.“ Konkret heißt das für das Bauprojekt auf dem Ruhestein: 33 Prozent Preissteigerung im Rohbau und 35 Prozent beim Hochbau. Probst: „Wir kennen die wahren Kosten halt leider erst nach der Ausschreibung“! Selbst die Risikovorsorge in Höhe von 2,5 Prozent habe das nicht annähernd ausgleichen können; inzwischen wird mit 4,5 Prozent der Bausumme kalkuliert.
Des Weiteren habe das Nationalparkzentrum Leistungen für Erschließungen erbringen müssen, die aufgrund verschiedener Probleme leider liegen geblieben waren. „Wir befinden uns an der Schnittstelle von Baden zu Württemberg und vom Ortenaukreis zum Landkreis Freudenstadt. Die ineinandergreifenden Zuständigkeiten vereinfachen solche Erschließungsvorhaben auch nicht“, sagt Probst. Schließlich beinhalten die kritisierten Gesamtkosten auch noch zwei Millionen für den Bau des Nationalparkhauses Herrenwies. Probst relativiert: „Mit unseren 50 Millionen EUR sind wir landesweit ein eher kleines Bauprojekt, aber der Nationalpark genießt schon aufgrund seiner Historie eine besondere Aufmerksamkeit. Insofern setzen wir alles daran, hier eine Landmarke zu setzen, die den hohen Erwartungen gerecht wird.“
Rein architektonisch wird dies gelingen! Jetzt ist der gelernte Architekt Holger Probst in seinem Element. Für den 47-Jähigen ist klar, dass mit dem Nationalparkzentrum „neue Wege für das Holzland Baden-Württemberg gegangen werden“. So etwas Einzigartiges kaufe man nicht von der Stange, und dies sei auch nicht zum Discountpreis zu haben. Probst möchte damit auch eine Lanze brechen für die Holzindustrie im Land. „Anspruchsvolle, schöne und funktionale Holzbauwerke können nicht nur in der Schweiz oder Österreich geschaffen werden, sondern auch hierzulande“. Das ehrgeizige Projekt besteht überwiegend aus Holz und davon zu 90 Prozent aus heimischen Beständen. Lediglich für den imposanten Turm, der den Stürmen des Schwarzwaldkamms besonders stark ausgesetzt ist, wird sehr beständige Alaska-Zeder für die Verschindelung verwendet. Die Besonderheit der Architektur verlangt von den Planern und Baufirmen, von den Kontrolleuren und Zulieferern aber auch, neue Wege zu gehen, „weil in vielen Bereichen keine Erfahrungswerte vorliegen“, sagt Probst. „Es ist im positiven Sinne ein experimenteller Hochbau“.
Seit Mai 2017 wächst das Nationalparkzentrum kontinuierlich. Ständige Beobachter sehen den Fortschritt und spüren so langsam die Bindung des Projekts an die Umgebung. „Es war von Anfang an Ziel des Landes“, sagt Holger Probst, „dass das Gebäude nicht die Natur dominiert. Mit jeder weiteren Woche wird klarer, dass dies perfekt gelingen wird.“ Auch Zweifler, die befürchtet hatten, dass eine Schneise der Verwüstung geschlagen würde, werden inzwischen anerkennen, dass die Verzahnung mit der Umgebung gelungen ist und die eindeutige Vorgabe des Landes und der Nationalparkverwaltung, so viel Wald wie möglich stehen zu lassen, vortrefflich umgesetzt wurde. „Vielleicht“, sinniert Holger Probst, „war es nicht für alle der beste architektonische Entwurf, der seinerzeit das Preisgericht überzeugte, aber mit Sicherheit derjenige, der die Anbindung in die Umgebung und die Anforderungen an das Raumkonzept am besten löste“.
Das Projekt Nationalparkzentrum biegt jetzt in die Zielgerade ein. „Wir sind nicht im grünen Bereich, aber auch nicht im roten“, sagt Holger Probst. Gelb würde es wohl am ehesten treffen. Gravierende Probleme am Horizont sieht Probst keine, aber es müsse bis zur geplanten Übergabe an den Nationalpark „schon alles wie am Schnürchen laufen“. Erstaunlicherweise befürchtet Probst Fallstricke nicht so sehr bei den verbleibenden baulichen Herausforderungen wie dem technisch anspruchsvollen Skywalk oder dem Aussichtsturm als vielmehr in der Abstimmung mit den Ausstellungsmachern, die ihre Arbeiten im Inneren praktisch parallel durchführen müssen. „Das ist Messebau im laufenden Baubetrieb“, sagt Probst. Man müsse aufpassen, dass man sich – vor allem die Logistik betreffend – nicht gegenseitig ein Bein stelle.
Unabhängig davon, dass Holger Probst von Haus aus eine angenehme Ruhe ausstrahlt, schöpft er Kraft aus dem Projekt an sich: „Das Gebäude wird einfach toll!“
Zur Person
Fachkundiger Bauherr
Holger Probst, 47 Jahre, leitet seit Dezember 2018 kommissarisch die Abteilung Hochbau im Amt Pforzheim des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg. Vermögen und Bau betreut sämtliche Liegenschaften des Landes und weiß entsprechende Fachleute in seinen Reihen; einen wie Probst, der den Landesbetrieb daher als „fachkundigen Bauherrn“ bezeichnet. Sein Büro in Pforzheim ist großräumig, aber funktional eingerichtet. Den Blick auf die gemächlich vorbeifließende Enz genießt er eher selten. Die Projekte – und hier geht es nicht allein um das Nationalparkzentrum auf dem Ruhestein – fordern ihn. Zahllose Besprechungen und Begehungen bestimmen den Tagesablauf; vor allem aber die Rückmeldungen der verschiedenen Baustellen. Holger Probst hat Architektur studiert, arbeitete danach in einem Büro in Frankfurt, ehe er für acht Jahre für das Land Baden-Württemberg das Kloster Maulbronn betreute. Probst, der gerne Sport treibt und zu den Kulturinteressierten im Land gehört, bezeichnet das Projekt auf dem Ruhestein als „spannende Aufgabe“, weil es auch „jenseits des Schwarzwalds“ auf Interesse stoße.