Die Natur vor der Haustür ist wichtiger denn je für die Gesundheit
Kaum jemand hätte es im Frühjahr für möglich gehalten, dass unser aller Leben bis zum Jahresende und vermutlich darüber hinaus durch die Corona-Pandemie so stark eingeschränkt würde. Homeschooling, Homeoffice, Reisewarnungen und staatliche Hilfestellungen waren Schlagworte des Sommers. Die generell stark veränderten Abläufe im gesellschaftlichen Leben haben andererseits aber auch dazu geführt, dass viele Menschen die Möglichkeit nutzten, wenigstens die nahegelegene Natur ausgiebig zu genießen. Das war und ist auch im Nationalpark zu spüren.
„Auf unseren Gebietsrundgängen merken wir, dass zahlreiche Menschen auf Ziele im Inland ausweichen“, sagt Patrick Stader, Leitender Ranger des Nationalparks Schwarzwald. „Es sind zwar kaum Gäste aus dem Ausland unterwegs, dafür aber eben mehr Menschen aus der Region und aus ganz Deutschland. Auch einige, bei denen man den Eindruck gewinnt, dass sie normalerweise wohl eher selten im Wald wandern gehen.“
Für die Gesundheit ist es dabei wichtiger denn je, Natur und Wildnis positiv erleben zu können. „Draußen in der Natur zu sein, fühlt sich wie ein Tapetenwechsel an“, sagt Psychologin Kerstin Ensinger, die im Nationalpark Schwarzwald die sozialwissenschaftliche Forschung leitet. Der digitalen Welt den Rücken kehren, den Blick schweifen und sich von allen Sinnenberühren lassen, tief durchatmen:
Dies seien ungemein wichtige Erlebnisse! „Natur hilft uns so dabei, notwendige Erholungsprozesse anzustoßen und Stress abzubauen. Wenn wir einen Wald betreten, der schon deutlich wildere Strukturen hat, tauchen wir richtiggehend in eine andere Welt ein. Das lässt uns psychische Distanz erleben. Wir haben das Gefühl, weg vom Alltagsgeschehen zu sein“, sagt Kerstin Ensinger. Doch die Sehnsucht des Menschen nach diesem Naturerlebnis kann bei Fehlverhalten – einen hohen Preis für die Artenvielfalt im Nationalpark bedeuten. Dr. Marc Förscher, Leiter der naturwissenschaftlichen Forschung, registrierte das hohe Besucheraufkommen in diesem Sommer deshalb mit durchaus gemischten Gefühlen. „Es ist schön zu sehen, wie viele Menschen die Natur erleben wollen. Aber der Stress für die Tiere steigt dadurch ungemein an“, erläutert der Biologe.
„Die ungewohnt vielen Menschen verursachen Störungen, die die Tiere nicht richtig zur Ruhe kommen lassen und mitunter sogar ihre Vermehrung gefährden. Dabei sind nicht nur viele Wanderer unterwegs – E-Bikes ermöglichen es auch immer mehr Radfahrern, die Höhenunterschiede zu meistern und im Nationalpark zu radeln. Und nachts sieht man dann Wohnmobile auf den Parkplätzen stehen. So wird es für die Tiere zunehmend schwer, ein ruhiges Plätzchen zu finden, das ist leider die Kehrseite der Medaille.“
Das durch Corona auf den Kopf gestellte Leben wird noch lange viel Zurückhaltung im Alltag erfordern. Gleichzeitig darf man aber auch die Bedürfnisse der Natur nicht aus dem Blick verlieren. Denn mittlerweile ist klar: „Zu einer modernenGesundheitsfürsorge gehört auch der Schutz von Wildnis und Ökosystemen – das Erlebnis intakter Natur reduziert Krankheitsrisiken“, sagt Kerstin Ensinger. „Derzeit ist es deshalb wichtiger denn je, die Regeln im Nationalpark zu beherzigen.“