Neuentdeckung: Quellwasser Heimat ungewöhnlicher Wassermilben
Er ist nicht der größte Nationalpark in Deutschland, aber innerhalb seiner 10.000 Hektar beherbergt der Nationalpark Schwarzwald Universen an Leben. Vom stattlichen Rotwild bis zum mikroskopisch kleinen Moos. Darunter auch zahlreiche, bislang noch unentdeckte Arten, die erst durch akribische Suche von Wissenschaftlern bemerkt werden. So kam es nach der Zitronengelben Tramete und der Springspinne Saxicola erneut zu mehr als einer aufsehenerregenden Neuentdeckung: „Bei dem bemerkenswertesten Fund handelt es sich um die Wassermilbe Atractides circumcinctus, die seit über 60 Jahren erstmals wieder nachgewiesen werden konnte! Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist sie in ihrer weltweiten geographischen Verbreitung auf die höheren Lagen des Schwarzwalds beschränkt“, freut sich der Tübinger Biologe Dr. Reinhard Gerecke, der im Auftrag des Nationalparks die Untersuchungen leitete.
Hochlagen des Schwarzwalds immer gut für Sensationen
22 ausgesuchte Quellen und einige Stillgewässer hat das wissenschaftliche Team nach einem standardisierten Verfahren kartiert und zoologisch untersucht. Eine Sisyphusarbeit – die den Forschern in der wilder werdenden Natur des Nationalparks aber Sensationen beschert. Obwohl viele der untersuchten Stellen nur von vergleichsweise wenigen Arten und Individuen wirbelloser Tiere besiedelt sind, gab es eine Neuentdeckung nach der anderen zu verzeichnen. Im Rahmen der 2015 und 2016 durchgeführten Untersuchung gelang der deutsche Erstnachweis der Muschelkrebsart Candona studeri, die bisher nur aus der Schweiz und Österreich bekannt war. Baden-Württembergische Erstfunde sind die Hornmilbenarten Eupelops strenzkei, Liebstadia longior, Metabelba propexa, Mucronothrus nasalis und Nanhermannia sellnicki und die Wassermilben Arrenurus spatiosus (zugleich weltweit erstmaliger Fund von Exemplaren weiblichen Geschlechts), Atractides macrolaminatus und Lebertia fontana. Unter diesen Neufunden für Baden-Württemberg sind somit einige Arten, deren nächste Artangehörigen erst in den Alpen und in den Karpaten zu finden sind! Wir sind gespannt, welche Raritäten noch der Entdeckung harren!
Und hier ist einer der winzigen Stars des Nationalparks:
Von Quellen und Milben
Die natürlichen Quellen im Nationalpark Schwarzwald sind ein bisher wenig beachteter Lebensraum. Und das, obwohl das dort entspringende Wasser auch größere Flüsse, wie die Schönmünz und die Murg, speist. Quellen, die versteckt und isoliert liegen und konstant sprudeln, können eine Reihe besonderer Tierarten beherbergen, die nur an ganz wenigen Stellen vorkommen. Somit kommt diesen Lebensräumen eine besondere biogeographische Bedeutung zu. Das trifft auch auf einige Quellen im Nationalpark Schwarzwald zu, was nun durch die Untersuchungen bestätigt wurde.
Milben sind eine sehr artenreiche Tiergruppe mit weltweit über 50.000 Arten. Sie gehören zu den Spinnentieren. Im Laufe der Evolution haben sie sehr unterschiedliche Lebensweisen entwickelt. Die für Menschen und andere Säugetiere völlig ungefährlichen Süßwassermilben besiedeln sämtliche Feuchtbiotope wie Seen, Teiche, aber auch Flüsse, Bäche und Quellen. Einige Arten sind auch im Grundwasser vertreten. Ihre Larven durchlaufen in der Regel eine parasitische Phase, in der sie sich an Insekten anheften und deren Körpersäfte saugen. Ganz ähnlich wie Zecken an Wirbeltieren! Damit erfüllen sie eine regelnde Funktion in Ökosystemen. Viele Vertreter der landbewohnenden Hornmilben treten gerne zumindest in der Nähe von Kleingewässern auf. Im feuchten Übergangslebensraum am Ufer, der an Quellen oft besonders ausgeprägt ist. Sie ernähren sich in der Regel von abgestorbenen Pflanzenteilen.
Bilder: Dr. Reinhard Gerecke / Sven Drößler / Shutterstock.com, Jürgen Wackenhut