Sich freiwillig und unentgeltlich für eine Sache zu engagieren, setzt Interesse und Herzblut voraus. Das vermag auch andere für diese Sache einzunehmen. Jörn Buse und Flavius Popa wollen Menschen für den Naturschutz begeistern. In ihrer Freizeit vermitteln sie Wissen über heimische Wälder, ihren Bewuchs und ihre Bewohner, das immer mehr schwindet. Darüber hinaus leiten sie Interessierte bei der Bestimmung der dort vorkommenden Arten an.
Die promovierten Forscher arbeiten beide seit 2016 für den Nationalpark im Wissenschaftsteam, das auf der Alexanderschanze angesiedelt ist. Buse verantwortet den Sachbereich Invertebraten (wirbellose Tiere wie Käfer) und Biodiversität, Popa den der Bodenökologie und Mykologie (Pilze, Flechten und Schleimpilze). Den Nationalpark sehen sie nicht nur als Arbeitgeber und Naturoase. Er ist für beide der perfekte Kristallisationspunkt, um Menschen aus der Region aufzuzeigen, dass Naturschutz damit beginnt zu verstehen, was genau um sie herum kreucht und fleucht.
Park- und Sachkenntnis hilft
„Wir beschäftigen uns täglich intensiv mit dem Nationalpark“, sagt Jörn Buse. „Unsere Ausbildung und die Nähe zum Park helfen uns dabei, selbst völlige Laien anzulernen und dafür anzuwerben, sich auch mit der Natur zu befassen“, ergänzt er. Die aktuell erhöhte Sensibilität für Klima- und Naturschutz ändere nichts daran, dass das Wissen um die Natur zunehmend verloren gehe, beklagt Flavius Popa: „Menschen kennen sich nicht mehr so gut in den biologischen Welten von Käfern oder Pilzen aus, sie engagieren sich leider auch nicht mehr so stark in solchen Bereichen und unmittelbar in der Natur“, fügt er hinzu. Dieses Wissen vermitteln und Einblicke in die Artenvielfalt geben, das ist Anliegen der beiden Wissenschaftler.
Machen, nicht nur reden
Seit Herbst 2018 existiert eine Gruppe aus 15 Teilnehmern, sieben davon bilden das Kernteam. Darunter finden sich ehrenamtliche Ranger, zwei freiberufliche Biologen aus dem Ortenaukreis, auch Interessierte aus dem Freundeskreis der beiden Initiatoren. Mehr Jugendliche mit dabei zu haben, sie zu kleinen Experten auszubilden, wäre ein Traum, den beide teilen. Auch für Kooperationen mit Schulen sind sie offen. Jeder Interessierte dürfe sich eingeladen fühlen, erklärt Buse, egal welchen Alters und mit welchen Vorkenntnissen. Ein Teilnahmezwang für die Treffen besteht nicht, eine gewisse Beständigkeit ist allerdings nötig, wenn man wirklich etwas lernen möchte. „Manche Teilnehmer haben Vorkenntnisse, andere haben noch nie durch ein Mikroskop geschaut“, so Popa, „dann ist es nicht einfach, alle gleichermaßen abzuholen, niemanden fachlich zu überfordern und dennoch korrekt und informativ zu erklären.“ In den Wintermonaten trifft sich die Initiative einmal monatlich für Vorträge, den lockeren, fachlichen Austausch untereinander oder mit kompetenten Gästen. Im Sommer gehen sie gemeinsam auf Exkursion, suchen Arten und bestimmen sie.
Gefunden und bestimmt – gewusst wie
Übungsrevier ist das Naturschutzgebiet Battert bei Baden-Baden. Die dortigen Strukturen sind von überregionaler Bedeutung, es gibt eine überbordende Artenfülle. Doch außer einigen Wirbeltieren wie dem Wanderfalken oder mehreren Reptilienarten ist in diesem Gebiet praktisch noch nichts nachgewiesen. Die Teilnehmer sammeln auf einzelnen Exkursionen Pilze und Käfer. Mit Fallensystemen werden weitere Insektengruppen wie Hautflügler und Fliegen erfasst. Unterstützt werden sie von einem Mitarbeiter des Forstamts Baden-Baden. Er zählt ebenfalls zum Kernteam der Gruppe und kennt sich im Battert aus. „Wir geben den Teilnehmern anfangs während eines Waldspaziergangs einen generellen Einblick“, so Buse. „Dann durchforsten wir die Lebensräume verschiedener Arten, besprechen Merkmale einzelner Gruppen, bestimmen gemeinsam, was wir finden und fangen, blicken nacheinander durch die Lupe“, erläutert er weiter. „Die meisten Pilze und Käfer kann man aufgrund ihrer geringen Größe und spezifischen Strukturen erst unter dem Mikroskop oder der Stereolupe bestimmen. Deshalb werden auch Belege mit nach Hause genommen, herbarisiert und an das Staatliche Naturkundemuseum in Karlsruhe weitergegeben.“
Mit mehr Augen zu mehr Erkenntnis
Ziel ist, den Blick der Teilnehmer zu schärfen und Wissen aufzubauen. Ziel sei aber auch, in den Einzugsgebieten Rastatt bis Offenburg oder vom mittleren Schwarzwald bis zur Rheinaue verschiedene Bestimmungsgruppen zu etablieren, räumt Buse ein. Man wolle die Leute in die Fläche bekommen, um mittelfristig die Datenbasis über die Verbreitung der Arten zu verbessern. Gerade der mittlere Schwarzwald und der Nordschwarzwald sind bisher wenig untersucht. „Mehr Augen entdecken und erkennen einfach mehr“, ergänzt er, „somit steckt schon auch faunistisches Interesse dahinter“. Wunder erwarten die beiden von den Teilnehmern nicht. Die Gruppe existiert schließlich erst seit etwas mehr als einem Jahr. „Viele Arten sind selbst für uns schwer zu erkennen, doch dann holen wir uns Rat bei Kollegen, die es können“, weiß Popa (Bild). Im Moment sei man noch dabei, Arten zu finden und genau anzuschauen. Die Bestimmung sei bei dieser Fülle schon die Kür, erklären beide. Allein in Baden-Württemberg kennt man fünfeinhalbtausend Pilzarten. Gut 100 wurden im Bannwald am Battert bisher nachgewiesen, 1.050 im Nationalpark. Dort wurden bei einem ersten umfänglichen Monitoring auch 2.700 Insektenarten entdeckt, fast die Hälfte der im Südwesten vorkommenden Moosarten und allein über 800 der knapp fast 3.500 bestimmten Tierarten sind Käfer.
Nichts bleibt wie es ist
In der Biologie lernt man stetig dazu. Die Natur verändert sich. Es wird wärmer, trockener. Das wirkt sich besonders bei den Pilzarten aus, die es feucht lieben. Auch die Globalisierung und das Reiseverhalten der Menschen spielen eine Rolle. So ist der Tintenfischpilz wahrscheinlich im Profil eines Wanderschuhs aus Australien in das Rheintal und von dort aus auch in den Schwarzwald gelangt. Diese Art braucht kein spezifisches Substrat, ihr hat im neuen Boden nichts gefehlt und so konnte sie im Schwarzwald heimisch werden. Auch bei den Insekten gab es viele Veränderungen. Sie können sich schnell Umwelteinflüssen anpassen. „Wir hatten im letzten Jahr auf etwa 1.000 Höhenmetern erste Nachweise von Gottesanbeterinnen“, so Buse. Die Fangschrecke kam in den 1950er-Jahren nur in warmen Gefilden des Kaiserstuhls vor. Von dort aus hat sie die ganze Rheinebene besiedelt – bis in die Vorbergzone. „Dass sie in den Schwarzwaldhochlagen eine eigenständige Population ausbilden, ist nur eine Frage der Zeit“, ist sich Buse sicher. Die zunehmende Erwärmung durch den Klimawandel bewirkt einen so genannten Uphillshift. Das bedeutet, dass Arten mehr und mehr auch in höheren Lagen vorkommen, die früher zu kühl für sie gewesen wären. So gibt es neue Arten hier und Klimaverlierer dort, die abwandern oder aussterben, weil die Bedingungen ungünstiger geworden oder sie einem stärkeren Konkurrenz- und Fressdruck ausgesetzt sind. „Wir stecken mitten im Klimawandel“, so Popa, „das ist nichts, das uns noch ereilen wird“. Das zu vermitteln, darin sehen die beiden Naturfreunde auch eine wichtige Aufgabe im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit.