„Hier, schau mal – das ist ein Trüffel!“ Ich schaue auf die Hände des Biologen Flavius Popa und sehe: ein Stückchen moosbewachsene Erde mit einem dunklen Knubbel drin. Das hat ja mal so gar nichts zu tun mit dem Trüffel, den man sich in piekfeinen Lokalen über das Essen reibt. „Dieser hier ist auch nicht essbar, aber schau, die typische Form eines Trüffels ist gut zu erkennen.“ Und tatsächlich: In der Erde sitzt ein etwa haselnussgroßer, rundlicher Pilz. Zumindest das, was man mit bloßem Auge davon sehen kann.
Unterirdische Netzwerke
Denn Pilze sind weit mehr als nur die sogenannten Fruchtkörper, die wir als Pilze kennen. Pilze gehören weder zu den Pflanzen noch zu den Tieren. Eher sogar näher zu den Tieren als zu den Pflanzen, zu denen sie meist zugerechnet werden. Und sie haben wichtige Funktionen im Kreislauf des Vergehens und Entstehens von Leben im Wald. Sie sind die „Netzwerker“ des Waldes, strecken ihre Wurzelfäden, ihre Myzele, teilweise kilometerweit in alle Richtungen aus. Einige Pilze sind über die sogenannten Mykorrhizen, Verflechtungen von Pilzmyzel mit Baumwurzel, mit Bäumen regelrecht verwachsen. Der Baum bekommt Nährsalze und eine bessere Wasserversorgung vom Pilz. Der Pilz wiederum holt sich vom Baum beispielsweise Kohlehydrate. So hat jeder etwas davon.
Neues Leben braucht den Verfall
Flavius ist schon weiter gelaufen – und zeigt jetzt auf kleine bunte Flecken auf einem umgefallenen, morschen Baum. „Hier sind Pilze gerade mit einer für den Nationalpark wichtigen Aufgabe beschäftigt.“ Aha. Holz vermodern lassen?! Ja, genau das, wie sich herausstellt. Denn totes Holz muss zersetzt werden, damit es wieder als Grundlage für neues Wachstum dienen kann. Und hier leisten die Pilze Pionierarbeit. „Holz besteht vorwiegend aus zwei Grundstoffen: Lignin und Zellulose. Es gibt Pilze, die Lignin abbauen. Und Pilze, die Zellulose abbauen.“ Soweit so klar. Und hier erklären sich auch die Begriffe Weiß- und Braunfäule. Lignin ist bräunlich. Zellulose weißlich. Sitzt auf dem Holz ein „ligninfressender“ Pilz, bleibt am Ende die weißliche Zellulose übrig. Also: Weißfäule. Und umgekehrt bezeichnet Braunfäule die Pilzbesiedlung, die Zellulose verdaut. Da bleibt dann eben das bräunliche Lignin übrig.
1001 Pilz – mindestens
Flavius Popa jedenfalls ist im Nationalpark Schwarzwald dafür zuständig, alle Pilze zu entdecken, die es hier gibt. Und das sind sicherlich viele. Weltweit sind bisher ca. 100.000 Arten bekannt. Vermutlich ist das aber nur ein Bruchteil der wirklichen Vielfalt. Pilzexperten vermuten, dass es bis zu 5,1 Millionen Arten gibt! „In Deutschland gibt es rund 10.000 Pilzarten. Im Nationalparkgebiet alleine sind bisher mehr als 800 Pilzarten nachgewiesen“, so Flavius. Ich finde, das reicht, um eine Weile beschäftigt zu sein. Flavius lacht: „Ja, ganz sicher. Zumal Pilze ja teilweise sehr kurzlebig sind, also, zumindest die sichtbaren Teile des Pilzes.“ Manche entstehen und vergehen innerhalb eines Tages. Viele sind nur im Herbst zu finden. Das macht die Arbeit des Wissenschaftlers phasenweise sehr intensiv. Ausgewertet werden die Daten dann in der „ruhigen“ Zeit des Jahres.
Pilz des Monats
Die interessantesten, wichtigsten, witzigsten Arten präsentiert Flavius Popa übrigens auch in einer Reihe „Pilz des Monats“ auf der Webseite des Nationalparks. Ob Wohlriechender Schichtpilz (Cystostereum murrayi), Tannstachelbart (Hericium alpestre) oder, wie derzeit, der Pillenwerfer (Pilobolus): Manch einen der hier vorgestellten Pilze könnt ihr bei einem Besuch des Nationalparks Schwarzwald vielleicht einmal selbst entdecken auf einem Spaziergang durch die wilder werdende Natur. Um dann mit einem Blick lässig in die Runde zu schmeißen: „Klar, kenne ich. Das ist eine Tramete!“ 🙂
Zur Person
Flavius Popa ist Biologe, sein Schwerpunkt ist die Mykologie, also die Pilzkunde. Er stammt aus dem Weserbergland und hat in Marburg studiert. Den Wechsel vom dortigen Laub- und Mischwald hin zum nadeligen Schwarzwald findet er spannend. Denn Nadelwälder bieten komplett andere Arten an Pilzen. Welche? Das herauszufinden ist sein Job hier im Nationalpark Schwarzwald für den Fachbereich 2: Ökologisches Monitoring, Forschung und Artenschutz.
Bilder: Flavius Popa/Nationalpark Schwarzwald, Franziska Schick