Ein faszinierender, aber scheuer Bewohner des Nationalparks ist der Schleimpilz Lamproderma laxum – erst einmal nachgewiesen, konnte er bislang kein zweites Mal entdeckt werden…
Lebewesen, die weder Tier noch Pflanze sind? Eine seltsame Vorstellung, und doch gibt es das: Schleimpilze. Sie sind eine vollkommen eigene Lebensform, die ihren abstoßenden Namen eigentlich nicht verdient haben – und übrigens auch nicht zu den Pilzen zählen. Ihre meist ein bis fünf Millimeter großen Fruchtkörper sind farbenfroh und ähneln oft winzigen Blütenknospen.
Schleimpilze entlassen Sporen, die sich durch den Wind verbreiten. Diese Eigenschaft teilen sie mit Pilzen, aber auch mit einigen Pflanzen. Aus diesen Sporen schlüpfen einzellige Amöben, die Biologen eher dem Tierreich zuordnen würden. Wenn sich zwei Amöben paaren, entsteht eine einzigartige Lebensform, das sogenannte Plasmodium. Es ist eine eher formlose, kriechende Riesenzelle. Erst in dieser Form wird ein Schleimpilz für den Menschen sichtbar. Das Plasmodium bewegt sich, zum Beispiel durch totes Holz, nimmt dabei andere Mikroorganismen auf und verdaut sie.
Irgendwann geschieht ein kleines Wunder: Innerhalb weniger Stunden finden sich Massen von Amöben und Plasmodien zusam
men und nehmen eine vollkommen andere Struktur an. Es entstehen aus tausenden Einzelzellen aufgebaute, meist in Stiel und Köpfchen gegliederte Fruchtkörper, die wie winzige Pilze aussehen. Die filigranen Fruchtkörper bilden dabei gemeinsam mit anderen weiße, rote oder gelbe Kolonien auf Totholz. Die Köpfchen enthalten in dieser Gestaltphase Sporen – und der Lebenszyklus des Schleimpilzes beginnt von vorne.
Der Nationalpark Schwarzwald hat sogar einen ganz eigenen, bislang exklusiven Schleimpilz: Im Bannwald am Wilden See fand der Mykologe Hermann Neubert im November 1978 erstmals die Art „Lamproderma laxum“, die zuvor und seitdem nie wieder hier oder irgendwo sonst auf der Welt beobachtet werden konnte. Die Fruchtkörper von Lamproderma laxum sind bis zu 3 Millimeter groß und sehen aus wie kleine Stecknadeln. Sie besitzen einen dünnen Stiel und einen runden, schwarzbraunen Kopf von etwa 0,5 bis 1 Millimeter Durchmesser, in dem die Sporen eingelagert sind. Wer weiß, wie lange sich der Schleimpilz hier noch verstecken kann – die Forscher im Nationalpark jedenfalls sind ihm und vielen weiteren, seltenen Tieren und Pflanzen auf der Spur!
(Fotos: Michael Hoffmann)