Vom Kampagnen- zum Förderverein: Der Freundeskreis des Nationalparks war eine treibende Kraft bei der Entstehung des Schutzgebiets und steht dem Park auch weiterhin eng zur Seite. Die Vorstandsmitglieder Dr. Christian Köppel und Thomas Fritz berichten im Interview über die kommenden Projekte und Ziele des Vereins und erklären, warum der Nationalpark bei den Menschen immer besser ankommt.
Herr Köppel, beschreiben Sie uns bitte Aufgaben und Ziele des Freundeskreises Nationalpark.
Dr. Christian Köppel: Der Freundeskreis Nationalpark Schwarzwald befindet sich momentan in einer Übergangsphase. Bei unserer Gründung 2011 war es unser Anliegen, den ersten Nationalpark in Baden-Württemberg zu etablieren. Der Freundeskreis sollte hierbei der Befürworter-Kampagne ein Gesicht geben und als Dachverband fungieren. Nachdem das Nationalparkgesetz am 1. Januar 2014 rechtskräftig wurde – wofür wir der Landesregierung nochmals herzlich danken – hatten wir dieses Ziel erreicht. Seitdem tragen wir die Idee des Nationalparks weiter in die Öffentlichkeit und unterstützen diesen mit verschiedenen Projekten. Wir wandeln uns also von einem Kampagnenverein zu einem Förderverein. Hierfür haben wir ein Fenster von drei Jahren vorgesehen.
„Engagement zeigt die Akteptanz des Nationalparks.“
Thomas Fritz: Einige unserer Mitgliedssektionen liegen räumlich betrachtet weiter vom Nationalpark entfernt, auch wenn sie zum ursprünglichen Suchraum gehören. Sie wünschen sich eine Erweiterung des Nationalparks in ihr Gebiet und dafür treten wir auch weiterhin ein. Dort sind wir also noch im „Kampagnenmodus“.
Welche Aktionen organisieren Sie für Ihre Mitglieder?
Thomas Fritz: Wir gehen jetzt viel raus in den Park und in die Natur, suchen die Vielfalt und tauchen in die Wildnis ein, übernachten unter freiem Himmel, machen Exkursionen. Zudem organisieren wir flankierende Maßnahmen wie Kulturveranstaltungen zur Erhöhung der Akzeptanz, Vorträge von Experten und Ähnliches.
Dr. Köppel: Nicht zu vergessen ist aber auch, dass wir im Nationalpark-Beirat vertreten sind und dort die Entwicklung des Parks kritisch begleiten.
Erzählen Sie mal – wie lief das damals mit der Gründung des Freundeskreises konkret ab?
Dr. Köppel: Im Zuge der Planungen des Nationalparks im Schwarzwald gab es vielerorts sehr engagierte Menschen, die sich zunehmend vernetzt haben und schließlich entschieden, sich zusammenzuschließen. Also haben sich am 1. Dezember 2011 rund 70 Nationalpark-Unterstützer im Schneegestöber auf der Darmstädter Hütte eingefunden, den Verein gegründet und den ersten Vorstand gewählt – einen, in dem alle Regionen vertreten sind.
Wie viele Mitglieder haben Sie mittlerweile?
Dr. Köppel: Wir zählen aktuell rund 900 Mitglieder – vor allem Privatpersonen, aber auch Vereine, und Unternehmen. Damit sind wir der mitgliederstärkste Förderverein aller Nationalparks in der Bundesrepublik. Unsere Mitglieder bilden das gesamte bürgerliche Spektrum ab, vom Handwerker, Förster, Gastwirt, Arzt bis hin zum Bürgermeister, also Menschen jeglichen Alters von Baiersbronn bis Stuttgart.
Warum begeistert der Freundeskreis so viele Menschen?
Thomas Fritz: Zum einen liegen rund um den Park sehr viele Ballungszentren: Stuttgart, Freiburg, Karlsruhe, Baden-Baden, Pforzheim. Dort ist der Schwarzwald eine bekannte und beliebte Marke, für die man sich gerne engagiert. Anderseits hatte die starke Polarisierung während der Gründungsdebatte ihren Anteil.
Dr. Köppel: Viele unserer heutigen Mitglieder waren einfach sehr befremdet darüber, mit welcher Vehemenz und Präsenz gegen das Projekt Stimmung gemacht wurde. Überall hingen Schilder und Plakate der Kritiker. Dem wollten sehr viele Menschen etwas entgegensetzen und sind dem Freundeskreis beigetreten. Ihr Engagement setzt ein sehr erfreuliches Zeichen und zeigt die Akzeptanz des Nationalparks in der Bevölkerung.
Wie hat sich die Einstellung der Menschen gegenüber dem Park von der Gründung bis heute aus Ihrer Sicht entwickelt?
Thomas Fritz: Äußerst positiv! Wer damals bereits für den Nationalpark war, sieht sich bestätigt und hat seine Einstellung gefestigt. Die ehedem Unentschlossenen stimmen dem Projekt heute mit großer Mehrheit zu. Natürlich gibt es nach wie vor Skeptiker, aber das gehört dazu und ist völlig in Ordnung.
Können Sie Gründe für diese Entwicklung nennen?
Dr. Köppel: Ich denke, dass sich viele Befürchtungen schnell verflüchtigt haben. Es wurden weder Wege gesperrt noch Zäune gezogen. Die Borkenkäfer-Apokalypse blieb aus, und vor allem das Spuren der Loipen im Nationalpark im letzten Winter hat hervorragend funktioniert. Kurzum: Der Wald bleibt den Anwohnern erhalten, das hat viele beruhigt.
Wo muss der Freundeskreis noch Überzeugungsarbeit leisten?
Thomas Fritz: Vielen Menschen ist der eigentliche Nutzen des Nationalparks, die Erhaltung der Biodiversität, noch nicht im Bewusstsein. Das merkt man schon daran, dass „Naturpark“ und „Nationalpark“ noch häufig verwechselt werden. Es gibt seitens der Aufklärung und Information noch viel Luft nach oben, und da wollen wir ran.
„Für die Natur sind 100 Jahre zu kurz.“
Welche Bedeutung messen Sie dem Nationalpark bei?
Thomas Fritz: Mit dem Park verbinde ich Dankbarkeit, Anspruch und Verantwortung. Er ist ein Geschenk für unsere Region, durch ihn können wir zukünftig Wildnis und unberührte Natur vor unserer Haustüre erleben. Auch für Kinder und Jugendliche schafft er Möglichkeiten zu lernen, wie sich die Natur ungestört entwickelt – wie sich Wälder ohne Einfluss des Menschen verändern. Dadurch kann ihre Sensibilität und ihr Interesse für eine intakte Umwelt geweckt werden. Der Nationalpark bietet ja ein reiches pädagogisches Programm von den Junior Rangern über pädagogische Führungen für zahlreiche Gruppen bis zur Einbindung von örtlichen Schulen, um junge Menschen zu sensibilisieren und zu begeistern. Auf der anderen Seite verpflichtet er: Es ist fortan unsere Aufgabe, den zahlreichen Gästen aus aller Welt hier ein guter Gastgeber zu sein, aber auch dafür zu sorgen, dass sie durch ihren Besuch ein weitergehendes ökologisches Bewusstsein entwickeln.
Wie meinen Sie das?
Thomas Fritz: Wer sich hier im Schwarzwald von der Wildnis und der intakten Natur faszinieren lässt, hinterfragt im Alltag vielleicht auch eher seine Entscheidungen: Kaufe ich nun ein Billig-T-Shirt aus Asien oder zahle ich ein paar Euro mehr für ein verantwortungsvoll produziertes Kleidungsstück? Mähe ich meinen Rasen im Garten radikal runter oder lasse ich ein paar Quadratmeter für Insekten und Kleinlebewesen stehen? Die Scheuklappen ablegen, den Blick erweitern und das tägliche Handeln von Zeit zu Zeit zu hinterfragen – das wäre unser Wunsch.
Eine letzte Frage: Wie wird der Nationalpark in 100 Jahren aussehen?
Thomas Fritz: Zuerst einmal haben wir dann eine sehr gut funktionierende touristische Infrastruktur: Ein tolles Besucherzentrum, das ein echtes architektonisches Highlight setzt, eine vernetzte, zusammengewachsene Nationalpark-Region, die vom Schutzgebiet sehr profitiert. Der Park ist durch ein Netz von Elektro-Bussen erschlossen, wodurch viele Autos draußen bleiben können. Und der Nationalpark als solcher besitzt große Strahlkraft in Baden-Württemberg und in die Bundesrepublik hinaus.
Dr. Köppel: Für die Natur sind 100 Jahre kurz. Daher wird es im Park noch viele Flecken geben, wo Wildnis gerade im Entstehen ist, das heißt, der Wald sich zum Urwald von morgen entwickelt. Somit beobachten wir diesen Prozess mit unverminderter Spannung und freuen uns über die vielen neuen und seltenen Arten, die durch den Nationalpark im Nordschwarzwald wieder heimisch werden können.
Vielen Dank für das Interview!
(Foto: Freundeskreis Nationalpark Schwarzwald e. V.)
Kurzporträts
Thomas Fritz
…ist als Gründungsmitglied seit 2011 im Vorstand des Freundeskreises. Für den Lehrer, Wald- und Erlebnispädagogen war das Engagement im Verein schon aufgrund seines Berufes eine Selbstverständlichkeit. Motiv seines Tuns ist ein Satz von Vaclav Havel: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“ Privat beschäftigt sich Thomas Fritz mit Imkern, Bergwandern, Kanuwandern, Lesen und kümmert sich um seine Hündin Moja. Er lebt in Forbach-Hundsbach.
Dr. Christian Köppel
…arbeitet wie Thomas Fritz seit Gründung des Freundeskreises 2011 im Vorstand mit. Die Bündelung der Kräfte im Freundeskreis hielt er damals für den besten Weg, ein so großes Ziel wie die Errichtung eines Nationalparks zu erreichen. Im Verein, in dem sich zahlreiche Gleichgesinnte mit unterschiedlichsten Fähigkeiten organisierten, um gemeinsam für den Nationalpark einzutreten, sah er die wirkungsvollste Art der Unterstützung. Christian Köppel, der in Gaggenau wohnt, arbeitet als gelernter Biologe in einem pharmazeutischen Unternehmen und erhofft sich für die nähere Zukunft einen weiteren Mitgliederzuwachs. Als großes Vorbild sieht er den gemeinnützigen „Verein der Freunde und Förderer der Wilhelma e. V.“ in Stuttgart mit über 31.000 Mitgliedern. In seiner Freizeit geht Köppel wandern, beschäftigt sich mit Naturfotografie und Artenschutz und spielt gerne Fußball.