Seit der Bildung der neuen Landesregierung im Mai 2016 gehört der Nationalpark Schwarzwald ins Ressort von Franz Untersteller, Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft (Bündnis 90/Die Grünen). Er sieht den Nationalpark auf einem sehr guten Weg. Für die ferne Zukunft hat er die Vision, dass der Park wächst und Tierarten mit größerem Revierbedarf einen Lebensraum bietet.
Herr Minister, wie haben Sie das Projekt Nationalpark von Anfang an begleitet?
Franz Untersteller: Wenn man wie ich eine Geschichte als gelernter Landschaftsplaner mit dem Schwerpunkt Landschaftsökologie hat, beobachtet man diesen ganzen Prozess mit sehr viel Sympathie, auch wenn die fachliche Zuständigkeit für den Naturschutz im Ministerium für Ländlichen Raum beim Kollegen Alexander Bonde lag. Ich war fast ein wenig neidisch auf ihn.
Warum fiel es in sein Ressort?
Untersteller: Die Grundidee des Ministerpräsidenten war gut: Flächenbezogene Nutzungen zusammenzulegen, die miteinander zu tun haben, denn Naturschutz, Landwirtschaft, Tourismus und Forstwirtschaft sind miteinander verknüpft. Umgekehrt war klar, dass wir als Grüne bei einer neuen Konstellation der Landesregierung, so wie sie heute der Fall ist, Wert darauf legen, den Naturschutz zu ressortieren – insbesondere auch das Projekt Nationalpark.
Was waren Ihre ersten Gedanken, als klar war, dass der Nationalpark jetzt in Ihr Ressort fällt?
Untersteller: Mich freut es natürlich, zukünftig die Zuständigkeit für das ganze Thema Naturschutz zu haben. Die Herausforderungen für die kommenden Jahre liegen darin, das Thema voranzutreiben mit allem, was dazugehört: den Nationalparkplan weiterzubringen, die Nationalparkverwaltung weiter aufzubauen, das Wegekonzept, das Tourismuskonzept und das Monitoringkonzept hinsichtlich der Tier- und Pflanzenarten zu entwickeln. Ich freue mich darauf, dabei mitwirken zu können. Dazu gehören auch andere Themen jenseits vom Nationalpark: Die UNESCO-Validierung für das Biosphärengebiet Südschwarzwald und die Revalidierung des Biosphärengebiets Schwäbische Alb 2019. Ich habe die Entwicklung dieses Großschutzgebiets sehr eng mitverfolgt.
Wenn Sie die Akzeptanz des Biosphärengebiets Schwäbische Alb mit der des Nationalparks vergleichen, welche Parallelen sehen Sie dann?
Untersteller: Auch dort war es anfangs schwierig. Die Befürchtung, man stülpe eine Käseglocke über das Gebiet, hat etliche Kommunen dazu bewogen, nicht mitzumachen. Jetzt stehen da drei Jahre vor der Revalidierung 23 Kommunen ante portas und wären auch gerne dabei. Das ist eine sehr positive Entwicklung.
Macht Sie das für den Nationalpark zuversichtlich?
Untersteller: Ja. Es zeichnet sich schon ab, dass sich da vieles entspannt und schon entspannt hat. Ich bin guter Dinge, dass sich so manches an Vorbehalten, die es hie und da noch gibt, auch noch entspannen lässt. Vieles hängt hier von Vertrauen ab. Wenn Sie heute mit den Waldbesitzern rund um den Nationalpark übers Borkenkäfermanagement reden, dann werden Ihnen viele sagen: Die Nationalparkverwaltung hat das im Griff.
Wie können Sie die restlichen Vorbehalte vollends abbauen?
Untersteller: Wir sind gut beraten, wenn wir bei allen Themen die Region einbinden, gemeinsam mit Nationalparkrat und -beirat breit diskutieren und Transparenz und Vertrauen schaffen, so weit es nur geht.
Wie beurteilen Sie den Stand der Entwicklung im Nationalpark?
Untersteller: Den Nationalpark gibt es jetzt rund zweieinhalb Jahre. Die Verwaltung hat bei Null angefangen. Wenn man schaut, was sie in der Zeit schon hinbekommen hat, muss ich sagen: Hut ab! Gerade auch in Bezug darauf, Vertrauen in der Region zu schaffen. Da gibt es eine ganze Reihe von Themen: Borkenkäfermanagement, Pädagogikkonzept, Wegekonzept – da ist schon vieles vorangebracht worden. Ich habe den Eindruck, dass Region und Land im Wesentlichen an einem Strang ziehen. Mein Anliegen ist, dass wir da weiterhin auf Kontinuität der bisherigen Haltung achten.
Sie nehmen also den Staffelstab von Alexander Bonde auf und führen seine Arbeit weiter?
Untersteller: Erfolgreiche Dinge sollte man nicht unnötig verändern. Nochmals: Ich finde, dass die ersten zweieinhalb Jahre von Erfolg gekrönt waren. Das zeigen auch die Umfragen: Der hohe Bekanntheitsgrad, den der Nationalpark heute hat, oder die sehr positive Besucherzahlenentwicklung, bei der man sicherlich noch etwas tun kann und muss. Auch, wie sich in der Region manche Konflikte mittlerweile aufgelöst haben – das halte ich alles für sehr positive Entwicklungen.
Welche Bedeutung hat der Nationalpark Schwarzwald für den Natur- und Umweltschutz in ganz Baden-Württemberg?
Untersteller: Eine eminent große. In den letzten zehn Jahren ist es uns gelungen, neben den schon bestehenden sieben Naturparks weitere Großschutzgebiete einzurichten: 2008 das Biosphärengebiet Schwäbische Alb, dann den Nationalpark und jetzt im Februar 2016 das Biosphärengebiet Südschwarzwald – was nochmals die Bedeutung des Naturschutzes in Baden-Württemberg auf eine neue Ebene bringt. Zusammen mit den FFH-Gebieten*, Vogelschutzgebieten und den oft kleinräumigen Naturschutzgebieten haben wir ein breites Instrumentarium, um die Notwendigkeiten des Naturschutzes in unterschiedlichster Art und Weise abzubilden.
Und worin besteht nun die besondere Rolle des Nationalparks, der ja den Slogan „Eine Spur wilder“ führt?
Untersteller: Die jeweiligen Schutzgebietsverordnungen schreiben vor, wie der Mensch pflegend eingreift, um die Qualität zu erhalten. Ganz anders im Nationalpark, wo man die Natur sich selbst überlässt. Wildnis entstehen zu lassen auf einem kleinen Teil Baden-Württembergs und zu sehen, welch neue Artenvielfalt sich entwickelt – das ist eine Riesenchance!
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung im Nationalpark Schwarzwald?
Untersteller: Wir wollen eine ähnliche Entwicklung hinbekommen wie im Biosphärengebiet Schwäbische Alb. Auch dort gab es Bedenken, die heute alle zerstreut sind. Längerfristig sehe ich durchaus Chancen, dass wir im Nationalpark eine ähnliche Entwicklung bekommen. Die Umfragewerte werden immer besser, und daran gilt es weiterzuarbeiten.
Sie waren dabei, als der Dachverband der Nationalen Naturlandschaften EUROPARC das erste Wildnisgebiet, die Königsbrücker Heide in Sachsen, aus der Taufe gehoben hat. Wie sieht es in Baden-Württemberg mit den Zielen der Nationalen Biodiversitätsstrategie aus, zwei Prozent der Landesfläche als Wildnisgebiet zu sichern?
Untersteller: Für unseren Staatswald ist das Ziel für den Waldnaturschutz sogar zehn Prozent. Wir sind heute schon auf dem Niveau von gut fünf Prozent. Da stehen wir richtig gut da. Es geht auch darum, dass Strukturen mit Totholz eine größere Artenvielfalt ermöglichen. Ich bin sehr dankbar, dass auch die Forstverwaltung in Zukunft den Naturschutz weiter vorantreibt.
Sie möchten die Großschutzgebiete besser vernetzen. Wird es eine gemeinsame Verwaltung der Großschutzgebiete geben?
Untersteller: Nein, das ist nicht nötig. Wir fangen ja nicht bei Null an. In den Naturparks Nord- und Südschwarzwald, dem Biosphärengebiet Südschwarzwald und im Nationalpark gibt es heute schon vieles an Zusammenarbeit über die unterschiedlichen Strukturen hinweg. Aber nichts ist so gut, dass man es nicht besser machen kann. An der Vernetzung und der gemeinsamen Präsentation der Großschutzgebiete mitzuwirken lohnt sich. Was immer ich da bewegen kann, möchte ich gerne tun.
Einmal noch weiter in die Zukunft geschaut: Gibt es die Möglichkeit, in Baden-Württemberg einen zweiten Nationalpark einzurichten?
Untersteller: Das ist momentan nicht die Aufgabe. Es ist eher die Aufgabe, diese Vielfalt an Schutzgebietskategorien und -konzepten, die wir mittlerweile haben, qualitativ weiterzuentwickeln, sie besser bekannt zu machen, den Nationalpark insbesondere auch im Ausland zu bewerben, damit er auch für internationale Gäste ein Besuchermagnet werden kann. Ich kann nicht erkennen, dass es in den nächsten Jahren die Aufgabe ist, den nächsten Nationalpark aus dem Boden zu stampfen. Jetzt geht es darum, diese gute Idee voranzutreiben und nach der nicht ganz leichten Geburt, die vor zweieinhalb Jahren geglückt ist, zu schauen, dass sich der Sprössling gut entwickelt und dass daraus ein Kind wird, auf das man in einigen Jahren im ganzen Land richtig stolz ist.
Wie sieht der Nationalpark in ferner Zukunft aus?
Untersteller: Wenn die Amerikaner und Chinesen nach Deutschland kommen, gehen sie nicht mehr nur nach Neuschwanstein und Heidelberg, sondern natürlich in den „Black Forest National Park“. Das wird hoffentlich eine Selbstverständlichkeit. Ich erhoffe mir dadurch eine Wertschöpfung für die Region Nordschwarzwald, die sie sehr gut brauchen kann. Die Grundvoraussetzung, dass sich der Nationalpark weiterentwickeln kann, ist durchaus da – aber das ist eine Zukunftsvision. Da gibt es keine Eile, es ist aber auch keine Eile nötig. Aufgaben haben wir in den nächsten Jahren etliche und die gilt es gemeinsam abzuarbeiten. Dazu gehört auch ein Mobilitätskonzept, das Besucherinnen und Besucher mit dem ÖPNV in den Nordschwarzwald bringt, der nach Möglichkeit mit regenerativen Energien und E-Mobilität funktioniert. Und dass in Zukunft zu jedem Schulbesuch gehört, dass man mindestens einmal im Nationalpark gewesen sein muss. Ich glaube, dass wir da auf einem sehr guten Weg sind und in manchen Dingen schneller dahin kommen, als man glaubt.
Und wie sieht es in Sachen Natur aus?
Wenn in vielen Jahren alle Bedenken zerstreut sein sollten, was spricht dann dagegen, dass sich die Fläche an der einen oder anderen Stelle vergrößert? Wenn das gelingen sollte, könnten sich Arten im Nationalpark ansiedeln, die größere Raumnutzungsansprüche haben, zum Beispiel Steinadler oder Luchs.
*FFH-Gebiete: Schutzgebiete, die nach der „Fauna-Flora-Habitatrichtlinie“ (FFH-Richtlinie) eingerichtet wurden.
(Fotos: Oliver Willikonsky)