Anfang Januar 2014 hat der Nationalpark Schwarzwald seine Arbeit aufgenommen. Vorausgegangen war eine lange und kontrovers geführte Debatte über den Sinn des ersten Nationalparks in Baden-Württemberg. Die vergangenen zehn Monate dienten nun in erster Linie dazu, die Vernetzung mit der Region voranzutreiben, Grundlagen für den Nationalparkplan zu erarbeiten und Strukturen aufzubauen. Die beiden Direktoren Dr. Wolfgang Schlund und Dr. Thomas Waldenspuhl haben noch viele weitere Projekte im Blick.
Anfang des Jahres hat der Nationalpark seine Arbeit aufgenommen. Ganz banale Frage: Was haben Sie seither getan?
Dr. Schlund: „Unser Schwerpunkt lag naturgemäß zunächst im Aufbau einer funktionsfähigen Verwaltung. Es galt, ein Team zusammenzustellen und die unterschiedlichen Fachbereiche an den Start zu bringen. Die Aufgaben, die vor uns liegen, verlangen nach einer zuverlässigen und belastbaren inneren Organisation.“
Kann man also sagen, dass die Blickrichtung zunächst bewusst nach innen ging. Geht das nicht zu Lasten der Außenwirkung?
Dr. Waldenspuhl: „Richtig, aber unerlässlich. Gleichwohl waren wir auch hier nicht untätig. Unsere diversen Veranstaltungen, das große Eröffnungsfest und die regelmäßige Pressearbeit liefen parallel zum Aufbau der Strukturen. Weitere wichtige Schwerpunkte waren und werden auch in der Zukunft sein: die Vernetzung mit der Region und dem Naturpark voranzutreiben, gemeinsam mit Nationalparkrat und -beirat die Grundlagen für den Nationalparkplan, eine Art Betriebshandbuch, zu schaffen und die vielen Beteiligungsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger vorzubereiten. Sie sehen, die Gewichtung wird sich künftig wieder deutlich verlagern.“
Sie sitzen in den Räumen des ehemaligen Naturschutzzentrums (NAZ) auf dem Ruhestein. Schön, aber auf Dauer ungeeignet. Wie weit sind die Planungen für das künftige Zentrum des NLP?
Dr. Schlund: „Die Ausschreibung läuft und wird von dem Amt für ‚Vermögen und Bau΄ vorangetrieben. Dafür sind wir allen Beteiligten sehr dankbar. Auch der weitere Fahrplan ist sportlich. Aber darüber sind wir froh. Wir sind auf die Ergebnisse extrem gespannt. In fünf Jahren wird die Welt am Ruhestein schon etwas anders aussehen.“
Der Nationalpark hatte erhebliche Geburtswehen, die soweit gingen, dass tiefe Gräben aufgerissen wurden zwischen Gegnern und Befürwortern. Wie sehen Sie die Situation heute?
Dr. Schlund: „Selbstverständlich gibt es immer noch kritische Stimmen. Aber das ist auch gut so, weil uns Kritik weiterbringt. Aber meine Wahrnehmung sagt auch, dass sich eine Grundhaltung des Vertrauens eingestellt hat. Ich habe das Gefühl, das auch durch viele Gespräche und Kontakte bestätigt wird, dass man uns erstmal machen lässt – wir haben gewissermaßen eine Art Vertrauensvorschuss für die Umsetzung bekommen. Dazu hat sicher auch die Mitarbeit des Nationalparkrates und des Nationalparkbeirats beigetragen, die Einbindung von Schulen, Kirchen und anderen Organisationen. Zusammengefasst möchte ich sagen: Gemeinsam lenken wir das Schiff.“
Dr. Waldenspuhl: „Diskussionen und Kritik sind die Voraussetzung für reflektiertes Unterscheiden, abgewogene Urteile, verantwortliches Handeln. Demokratie ist deshalb keine Harmonieveranstaltung. Es geht darum, hart in der Sache, aber fair im Ton um den richtigen Weg zu ringen. Wir freuen uns sehr über die Offenheit, die wir nun von vielen Seiten spüren. Institutionen und Organisationen kommen auf uns zu und suchen nach Gemeinsamkeiten. Das gibt sehr schöne Impulse für die weitere Arbeit.“
Auf dem Weg zum Nationalpark wurde vor allem heftig über das Thema Borkenkäfer gestritten. Ist das sogenannte Borkenkäfermanagement wie geplant angelaufen?
Dr. Waldenspuhl: „Hier sind wir voll im Zeitplan. In Abstimmung und Zusammenarbeit mit den betroffenen unteren Forstbehörden und dem Minsterium kümmern wir uns um die Kontrolle der Borkenkäfer. Im nächsten Sommer soll dieser Teil als erster im Nationalparkplan festgeschrieben werden. Damit garantieren wir ein einheitliches Qualitätsmanagement im 500 Meter breiten Puffergürtel um den Park.“
Wie entwickelt sich die Zusammenarbeit mit den Nationalparkgemeinden?
Dr. Schlund: „Die Nationalparkgemeinden sind ja im Nationalparkrat vertreten. Dadurch stehen wir schon mal im stetigen und engen Austausch. Der Wille der Beteiligten, den Nationalpark gemeinsam voranzubringen, ist für uns sehr spürbar. Hier spielt auch Kirchturmpolitik keine Rolle, immerhin besteht der Rat aus Vertretern aus drei Landkreisen und zwei Regierungsbezirken. Ich finde das sehr bemerkenswert. Es entwickelt sich ein Engagement, das über das normale Maß hinausreicht.“
Worin sehen Sie Ihre Aufgaben für das kommende Jahr?
Dr. Schlund: „Dem Grundkonzept des Nationalparks folgend, werden wir nach dem Aufbau der inneren Struktur die anderen geplanten Module anpacken. Hier geht es um Wegeführung, Bildung, Verkehr und Tourismus. Wir wollen mit vielen spannenden Veranstaltungen weiter auf uns aufmerksam machen. Ein Schwerpunkt der Arbeit wird auch die Konzeption des neuen Besucherzentrums sein – und natürlich die Forschung, beispielsweise zu Arten und Entwicklung des Nationalparks.“
Dr. Waldenspuhl: „Die Arbeit am sehr komplexen Nationalparkplan ist für uns ungeheuer wichtig – und dabei freuen wir uns wie gesagt auf eine äußerst rege Beteiligung aller Interessierten. Unser Team wird sich noch etwas vergrößern – insbesondere mit Pädagogen.“
Was war für Sie das schönste Erlebnis im Jahr 1 des NLP?
Dr. Schlund: „Das Eröffnungsfest, das trotz kühler Witterung eine Art große Aufbruchstimmung zeigte – und die große Begeisterung, die in unserem ständig wachsenden Team herrscht. Waldarbeiter, Förster, Forscher, Verwaltungsangestellte haben in einer Geschwindigkeit zu einer Einheit zusammengefunden, wie ich es so nicht erwartet hatte.“
Dr. Waldenspuhl: „Das Glück der Selbstvergessenheit der Junior-Ranger. Hier wächst die Zukunft des Nationalparks heran. Es hat mich berührt, mit welcher Freude und welchem Wissensdurst die Kinder bei der Sache sind. Sie sind ganz und gar eins, mit ihrem Tun sowie dem Wunder der Natur. Vielleicht kann auch der ein oder andere Erwachsene diese Gabe in der wilden Schönheit des Nationalparks wieder entdecken.“
Sie haben einen Wunsch frei.
Dr. Schlund: „Dass uns die große Motivation und Begeisterung lange erhalten bleibt.“
Dr. Waldenspuhl: „Dass wir alte Gräben – entweder Prozessschutz oder Wirtschaftswald – mit einem überzeugten UND überbrücken und in der Region als Partner gesehen werden. Hier sind wir auf einem guten Weg.“