Seit Juni dieses Jahres hat das Nationalparkzentrum am Ruhestein geöffnet. Anfangs mit starken Einschränkungen, seit Juli komplett. Ein Erfahrungsbericht nach einem sommerlichen Besuch.
ie oft waren in den zurückliegenden beiden Jahren große Pläne geschmiedet worden, häufig verbunden mit dem Wunsch, den Menschen Freude und Staunen zu vermitteln, um dann das Meiste davon über Bord zu kippen, weil eine Pandemie den Globus fest im Griff hat. Diese Erfahrungen, diesen Wechsel von Hoffnung und Enttäuschung, erlebten sie auch im Nationalparkzentrum am Ruhestein. Ein prächtiges Gebäude übergab Ministerpräsident Winfried Kretschmann unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Oktober des Vorjahres; eine geplante feierliche Eröffnung in diesem Mai mit Rahmenprogramm – ad acta gelegt. Stattdessen Monate im Betrieb ohne Betrieb! Seit Juni schließlich, als es die Inzidenz verbunden mit dem Impffortschritt zuließ, eine Öffnung mit gebremstem Schaum. Begrenzte Slots für
die wunderbare Ausstellung, doch Ende Juli fiel auch diese Einschränkung. Normalbetrieb also bis auf die üblichen Verhaltens- und Abstandregeln. Ursula Pütz ist die Erleichterung anzumerken. Zum einen, weil das vielköpfige Team des Nationalparkzentrums, das Pütz zusammen mit Friederike Scharfe anleitet, endlich raus aus den Trockenübungen ist und zum anderen, „weil das Zentrum sehr gut von den Besuchern angenommen wurde“.
Es ist ein Tag im späten Juli, die Sonne lacht und draußen auf der Freitreppe versammelt sich eine angemeldete Schulklasse. Erlebnisunterricht kurz vor Ferienstart. Wie so viele Klassen in den Wochen davor, zeigen sich auch diese Schüler nach zwei Stunden begeistert von dem, was geboten wird; einige tragen sich ins Gästebuch ein und versuchen, mit Texten und Bildchen ihre Eindrücke wiederzugeben. Bei den Schulen ist die Rechnung der Nationalparkverwaltung schon heute aufgegangen. „Wir haben bereits jetzt deutlich mehr Anfragen als Kapazitäten“, sagt Ursula Pütz. Und da die Resonanz durchweg positiv sei, verbindet sie dies mit der Empfehlung, den Besuch „langfristig zu planen und früh zu buchen“.
Während sich die Schulklasse langsam trollt, fragt eine Familie aus den Niederlanden an der Theke der Tourismusinformation nach dem Weg zum Lotharpfad. Lisa Zapf und Alexandra Decker haben heute Dienst, und auch sie sind froh, dass das Zentrum endlich angelaufen ist. „Es wird immer mehr“, sagt Zapf, die nahende Ferienzeit mache sich schon jetzt bemerkbar. Den beiden Mitarbeiterinnen der Nationalparkregion GmbH fällt zudem auf, „dass das Gros der Besucher neben den vielen Schulklassen noch vorwiegend älteren Semesters ist und zudem oftmals aus der Region stammt. Decker: „Wir gehen davon aus, dass nach der Diskussion um den Nationalpark und das Bauwerk viele einfach die pure Neugier gepackt hat.“ Und auch Decker und Zapf bestätigen die Einschätzung von Ursula Pütz: positive Resonanz, großes Interesse, Aufgeschlossenheit in der Diskussion um Wohl und Wehe des Nationalparks. Und schnell fällt auch das Wort „Mundpropaganda“, die ja – fällt sie positiv aus – der beste Werbeträger überhaupt ist. Kommt Kritik, befasst sie sich in der Regel nicht mit dem Bauwerk oder der Ausstellung, sondern mehrheitlich mit Begleiterscheinungen wie den Parkgebühren des Nationalparkzentrums oder einer noch unzureichenden Beschilderung. „Wir brauchen die Rückmeldung unserer Besucher, um optimieren zu können“, freut sich Ursula Pütz auch über diese Form der Resonanz. Deshalb sei der gute und enge Austausch mit MitarbeiterInnen, die von ihren Erfahrungen berichten, von besonderer Bedeutung für die Weiterentwicklung des Zentrums.
Davon macht Birgit Brose gerne Gebrauch. Die Betriebsleiterin der Gastronomie zeigt sich unter den coronabedingten Umständen zwar grundsätzlich zufrieden mit dem Geschäft, hat aber ein gravierendes Problem, das der Struktur des Zentrums geschuldet ist und eigentlich nur kommunikativ gelöst werden kann. Ihre und auch die Beobachtung anderer ist folgende: Wer die Ausstellung im Nationalparkzentrum besuchen will, muss Eintritt bezahlen. Dies wird aber offenbar oft gleichgesetzt mit dem generellen Besuch des imposanten Gebäudes. Und hier liegt der Irrtum. Das Zentrum mit der Nationalpark-Infotheke, Kino, Brücke der Wildnis inklusive Turm, Tourist-Info, Shop oder Gastronomie ist kostenfrei betretbar, versteht sich sogar als Anlaufpunkt bei touristischen Fragen. „Ich würde mich freuen, wenn künftig klarer kommuniziert wird, dass wir eine frei zugängliche Gastronomie sind – also auch für Menschen, die nicht in die Ausstellung gehen wollen“, sagt Brose und regt eine entsprechende Außenbeschilderung an. Im lichtdurchfluteten und in Glas und Holz gehaltenen Foyer des Zentrum bildet ein mächtiger Treppenaufgang in den Bürotrakt das architektonische Kernelement. Von dort bis zur Glas-Außenwand reicht die Gastronomie, deren Rundtische inzwischen voll belegt sind. Eine politische Gruppierung hatte sich angekündigt und entsprechend reserviert. Bei Volllast betreiben zehn bis zwölf Personen das Restaurant, das man sich keineswegs als besseren Kiosk vorstellen darf. „Wir kochen à la minute und weitestgehend mit Produkten aus biologischem Anbau“, sagt Brose. Innen finden 60 Gäste Platz, im Außenbereich, der wunderbar in den Wald hineinzuragen scheint, nochmals 30. Zeitsprung, zwei Wochen später. Inzwischen ist Ferienzeit.
An der Infotheke stehen die Menschen auch nachmittags um drei noch an. „Seit Ferienbeginn erleben wir einen regelrechten Ansturm“, sagt Gabi Herold, die an diesem Tag gemeinsam mit Anette Burkholder Dienst schiebt. Trotz des Drucks, der schon den ganzen Tag herrscht, verbreiten die beiden Damen gute Laune. Lachen scheint hier nicht verboten. Und steckt an. Die Stimmung ist gelöst, die Besucher sind geduldig. Es sei die absolute Ausnahme, wenn es hier einmal garstig wird. „Meist“, sagt Herold, „betrifft es Menschen, die spontan vorbeikommen und kein Verständnis dafür haben, dass wir Zeitfenster für den Besuch der Ausstellung vergeben müssen. Sie ärgern sich dann über die Wartezeit“. Dabei gebe es ja interessante Alternativen, um diese Zeit zu überbrücken. Zum Beispiel die beiden Filme über die Entstehung der Ausstellung und die spannende Dokumentation über den Bau des Nationalparkzentrums oder eine kleine Rundtour am Ruhestein.
Die Gruppe, die jetzt ansteht, hat online reserviert. „Diese Leute wissen, was auf sie zukommt, kennen ihr Zeitfenster und sind grundsätzlich gut informiert“, sagt Herold. Und sie sind ganz redselig. „Auf diese Weise erfahren wir, dass sie schon mal da gewesen sind und jetzt Freunde oder den Rest der Familie mitgebracht haben“. Das wiederum spricht für die Ausstellung. Burkholder, die wie ihre Kollegin Herold ausgebildete Biologin ist, fasst zusammen: „Den Besuchern gefällt, was sie hier sehen und erleben können!“ Der Anfang mit angezogener Handbremse ist im Nationalparkzentrum also geglückt. Der Sommer ist ausgebucht und im Buchungsbüro arbeiten sie noch immer am Anschlag, „weil trotz aktueller und informativer Homepage viele Fragen über die reine Buchung hinaus auflaufen“, sagt Ursula Pütz. Auch ein anderer Anspruch der Nationalparkverwaltung scheint sich zu erfüllen: „Die Busverbindungen werden sehr gut angenommen“. Immer wieder hatten Verkehrsminister Winfried Hermann, die beteiligten Verkehrsverbünde und Freudenstadts Landrat Rückert bei einem Interview mit dem Nationalparkmagazin dafür geworben, auf das abgestimmte Angebot zurückzugreifen.
Pütz‘ Fazit Ende Juli: „Wir sind organisatorisch gut aufgestellt und jetzt dabei, die Kinderkrankheiten auszumerzen“. Jürgen Wünsche