„Fährtenlesen“ – war das nicht etwas für Wildwest-Filme oder Trapper-Geschichten? Eine alte, vergessene Kunst? Weit gefehlt! Fähige Fährtenleser sind heute sehr gefragt – auch im Nationalpark. Denn sie sind eine große Hilfe beim Konzipieren eines wirkungsvollen Schalenwild-Managements.
Einmal im Winter kommt Fährtenleser Gerhard Arndt, der in einem Nationalpark in Kasachstan arbeitet, zu Besuch in den Nationalpark Schwarzwald und analysiert im kompletten Parkgebiet Tierspuren im Schnee. Friedrich Burghardt, Leiter des Schalenwildmanagements, erklärt: „Gerhard Arndt kann anhand der Spuren nachvollziehen, welche Wege das Wild nutzt, wo es den Nationalpark betritt und wo es ihn verlässt.“
Da andere Monitoring-Methoden wie zum Beispiel die Zählung aus der Luft wegen des dichten Bewuchses im Schwarzwald nicht durchführbar sind, besitzen die Erkenntnisse aus dem Fährtenlesen enorme Wichtigkeit für den Nationalpark. Denn um den Umgang mit Hirsch und Reh ordentlich planen zu können, muss erst einmal klar sein, wie sich die Bestände überhaupt zusammensetzen und wie sie mit den Nachbarwäldern interagieren. Erst dann kann festgelegt werden, wo beispielsweise Ruhezonen eingerichtet werden sollten oder wie eine Jagdstrategie zum Schutz angrenzender Wirtschaftswälder aussehen muss.
„Es ist erstaunlich, wie viele Informationen einer Fährte entnommen werden können“, sagt Burghardt. Aus dem Trittsiegel, also dem „Fußabdruck“ des Tieres, gehen die Tierart, das Geschlecht, die Größe und das Alter hervor. Aus den Abständen der Abdrücke lassen sich Gangarten und die Bewegungsgeschwindigkeit folgern. Aus dem Druck der Spur, ob das Tier nach links oder rechts geschaut hat. Neben all diesen Erkenntnissen aus der „Ground Spur“, also den direkten Abdrücken, lässt sich auch viel aus der „Aerial Spur“ lesen: Darunter verstehen sich Verletzungen der Vegetation, abgeknickte Äste oder Verbiss-Spuren. „Wenn ein Stück Rotwild im August zum Beispiel eine Menge Brennnesseln frisst, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein laktierendes Alttier“, erklärt Burghardt – und meint damit eine Hirschkuh, die ein Junges säugt. Je mehr Infos man lesen könne, desto klarer konstituiere sich ein Gesamtbild. „Es ist zum Beispiel kaum möglich, das Trittsiegel eines Wolfes von dem eines großen Hundes zu unterscheiden.“ Aber an der Art, wie sich das Tier bewegt hat, lasse sich das zweifelsfrei belegen. „Denn der Wolf macht das viel ökonomischer als ein Hund.“
(Foto: berggeist007/pixelio.de, Grafik: Zeitwerk)