Forschung ist ein wichtiger Bestandteil im Konzept des Nationalparks. Zum Beispiel das Fledermaus-Monitoring.
Wer in der Abenddämmerung aufmerksam den Himmel beobachtet, entdeckt mit Sicherheit auch irgendwann eine Fledermaus. Denn wo kurz zuvor noch Schwalben ihre Runden drehten, flattern plötzlich die dämmerungs- und nachtaktiven Säugetiere über den Himmel, auf der Jagd nach Insekten. Anders als Schwalben spüren sie ihre Nahrung allerdings nicht mit den Augen auf, sondern mit den Ohren. Anhand der ausgestoßenen Schallwellen, die von Bäumen und Büschen, dem Boden und allem anderen, was den Flugraum begrenzt, reflektiert werden, finden sich die Fledermäuse zurecht. Sie erstellen in Bruchteilen von Sekunden eine akustische Landkarte in ihrem Gehirn – und alles, was sich vor dieser Landschaftskulisse als bewegtes Objekt abhebt, kann ein Beutetier sein. Sobald eine Fledermaus eine solche Bewegung geortet hat, ändert sie ihre Rufe, um sich das entdeckte Objekt genauer „anzusehen“.
Leider sind Fledermäuse für uns Menschen in der Dunkelheit nur schwer zu beobachten – und zudem unhörbar: Fledermäuse rufen im Ultraschallbereich. Also müssen Fledermausforscher auf technische Mittel ausweichen, um die Rufe aufzeichnen und auswerten zu können. Ein aufwändiges Vorgehen, das sich aber lohnt, erklärt Dr. Kirsten Jung, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Biodiversitäts-Exploratoriums Schwäbische Alb, Institut für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik, an der Universität Ulm. Sie untersucht das Vorkommen und die Entwicklung von Fledermausgruppen. Um sich ein genaues Bild machen zu können, dreht sie den akustischen Spieß um: Sie stellt mit ihrer Forschungsgruppe Masten mit Abhörgeräten auf, fängt die Rufe der vorbeifliegenden Fledermäuse ein und wertet sie aus, indem sie sie am Computer in einem sogenannten Sonagramm sichtbar macht.
„Wir schauen uns genau an, welche Arten in einem Gebiet vorkommen und wie intensiv sie die verschiedenen Lebensräume, wie Freiflächen oder Baumbestand, nutzen. Eine Kernfrage unserer Forschung ist, wie sich unterschiedliche Landnutzung auf die Aktivität und die Artenzusammensetzung von Fledermäusen auswirkt“, so Kirsten Jung, die auch Leiterin der Forschungsgruppe ist. Bereits seit einigen Jahren ist die junge Forscherin mit ihren Abhöranlagen auf der Schwäbischen Alb aktiv, einer typischen Agrarlandschaft. „Hierzu haben wir einen Kontrast gesucht – und im Nationalpark Schwarzwald, einer bislang intensiv forstwirtschaftlich genutzten Fläche, gefunden. Jetzt bleibt der Wald sich selbst überlassen, also erwarten wir in den kommenden Jahren eine Änderung in der Aktivität und Ansiedlung der Fledermäuse, ebenso in der Artenvielfalt.“
Und wie genau geht man als Forscher so ein Projekt an? „Zu Beginn haben wir mit Landschaftskarten und der Erkundung vor Ort eine Flächenauswahl getroffen. Im Vordergrund unserer Auswahl standen gleichaltrige Waldbestände für dieRegion und auch die jeweilige Höhenlage.“ Dann wurden auf den insgesamt rund 100 Quadratkilometern des Nationalparks 40 Standorte ausgewählt, die viermal im Jahr mit automatischen Aufnahmegeräten bestückt werden. 20 Stellen davon befinden sich im offenen Grünland, also beispielsweise auf Jagd- oder Sturmflächen, 20 Stellen im Waldgebiet.
„Unsere Geräte laufen jeweils eine Nacht lang; die Messungen werden mehrfach wiederholt, um zu schauen, wie Vorkommen und Verhalten an einem Standort über die Sommermonate variieren. Und dann müssen die aufgezeichneten Daten ausgewertet werden. Da können in einem dicht besiedelten Buchenbestand pro Nacht schon mal 13 Gigabyte Daten bei einem einzigen Gerät zusammenkommen.“ Die Datenauswertung ist entsprechend zeitintensiv. Vier Hilfswissenschaftler und eine Masterstudentin unterstützen Kirsten Jung bei dieser Arbeit. Sie sortieren die Laute nach Arten und werten verschiedene Parameter aus: Wie hoch ist die Aktivität allgemein? Wie hoch ist die Jagdaktivität? Wie viele und welche Arten kommen vor? Wie nutzen einzelne Arten das Habitat?
Die Forscherin und ihre Gruppe werden nur den Grundstein legen können – ihre Daten aber bleiben als Basis für ein Langzeit-Monitoring erhalten. „Das ist hier im Nationalpark eine schöne Win-Win-Situation“, so Jung. „Wir Wissenschaftler bekommen vom Nationalpark die Möglichkeit, hier unsere eigene Forschung zu betreiben, und können die vorhandene Infrastruktur nutzen. Der Nationalpark bekommt von uns dafür grundlegende Daten, die für den Fachbereich Forschung wichtig sind, frei überlassen.“
Bilder: Kara Grudzus; Miriam Kolar; Fledermausaufnahme: Christian Dietz