Beweidung im Nationalpark
Etwa zwei Prozent des Nationalparks bestehen aus Grinden. Das bedeutet „kahler Kopf“ und illustriert die baumfreien Feuchthei- den in den sonst sehrwaldreichen Schwarzwaldhochlagen. Diese Lücken sind menschengemacht und doch schützenswert. Über 400 Jahre konnten sich eine ganz eigene Fauna und Flora entwickeln. Um sie auch künftig von Wald frei zu halten, werden sie wieder beweidet.
Weil im Mittelalter der Bedarf an Holz- und Weideflächen stetig wuchs, sind ab dem 16. Jahrhundert Hochalmen an- gelegt worden, die eherextensiv genutzt wurden. Ihren Hö- hepunkt hatte die Grindenbeweidung um 1800. Später sind viele der Weiden peu à peu wieder aufgeforstet worden, so dass gegen Ende des 20. Jahrhunderts nur noch wenige und auch nur sehr sporadisch genutzte Grindenflächen übrig geblieben waren.Doch über die Jahrhunderte hinweg konnte sich auf diesen Grinden eine beachtliche Artenvielfalt entwickeln. Die besondere Fauna und Flora bedingt einander sogar. Rasenbinsen, Pfeifengras, Torfmoose oder Zwerg- sträucher der Feuchtheiden sind Heimat vonHeuschrecken oder seltenen Vogelarten wie Baum- und Wiesenpieper, die lieber auf offenen Heiden leben. Grund genug, die Grinde zu schützen. Das geschieht über das Flora-Fauna-Habitat (FFH) „Wilder See-Hornisgrinde und Oberes Murgtal“ im Rahmen von NATURA 2000. Das von der EU geförderte Programmverfolgt unter anderem den Erhalt des Lebensraums „Trockene Heide“. Solche Flächen kommen in Baden-Württemberg fast ausschließlich im Schwarzwald vor, zu einem großen Teil auf dem Gebiet des Nationalparks.
Beweidung zum Artenschutz
Um zu verhindern, dass sich der Wald die verbliebenen Grinden zurückholt, wird der Prozessschutz auf diesen Flächen ausgesetzt und stattdessen beweidet. „Damit set- zen wir im Nationalpark fort, was schon 1997 vom Naturschutzzentrum Ruhestein mit dem Einsatz von Hinterwälder Rindern auf dem Schliffkopf begonnen wurde“, erklärt Dr. Marc Förschler, Leiter Fachbereich Faunistische Forschung und Artenschutz. Diese Rasse ist robust, sie ist trittsicher und kommt in Hochlagen gut zurecht. 24 Tiere bilden die Herde, die aktuell zwischen Ruhestein und Kniebis grast. Ihr BesitzerGerold Wein bringt sie Anfang Juni bis Oktober auf die Sommerweide im Nationalpark. Sascha Hummel schickt zur selben Zeit 24 Heckrinder und 15 Ziegen auf seine Parzellen im Park. Und die gut 400 Schafe von Ute Svensson ziehen von Ende Juni und bisSeptember von Süd nach Nord über die beweideten Flächen. Marianne Burgers Schafherde steht auf der Hornisgrinde und auf demHoch- kopf, außerhalb des Nationalparks.
Von Beginn an war es Ziel, neben Hinterwälder Rindern und Schafen auch andere Weidetierarten in den National- park einzubringen. Seit 2016 grast eine Heckrinderherde nahe der Schwarzwaldhochstraße. „Genauer gesagt sind es Rückzüchtungen von Auerochsen“, so Förschler, „sie gehenalso auf eine im 14. Jahrhundert ausgestorbene Tierart zurück, die man aus ursprünglichen Kuhrassen versucht zurück zu züchten.“ Seit Frühling 2020 zählen auch Koniks aus dem Karlsruher Zoo dazu, eine dem Wildpferd sehr nahe Rasse. Sie sollten ursprünglich im Naturschutzgebiet Taubergießen als Landschaftspfleger eingesetzt werden, doch das Futter im Rheintal war ihnen im Sommer zu fett. Nun grasen in der warmenJahreszeit ein Hengst, zwei Stuten und ein Fohlen auf den Weiden nahe des Schliffkopf. Im Winter leben sie in den milderen Rheinauen.
Vorlieben am Buffet der Grinde
Die Weidetiere halten die Grinde niedrig und düngen sie. Jede Art liebt anderes Futter. Den Heckrindern schmecken auch Büsche, und die Koniks fressen sogar Binsen. Im Prinzip sei es wie einst im wilden Wald, erläutert Förschler. Dort habe auch jede Großtierart ihre Funktion gehabt, sich gegenseitig ergänzt und nur bisweilen um Futter konkurriert. Die Herden von Weide zu Weide auszutauschen, um diese Eigenschaft noch besser zu nutzen, ist erst in der Planung. Sie bleiben derzeit noch auf den vertraglich durch die jeweiligen Beweider gepachteten Flächen. Aktuell werden rund 180 Hektar der Grinden im Nationalpark beweidet. 110 Hektar davon sind Weiden der Rinder oder Koniks, der Rest ist das Terrain der Schafe.