BORKENKÄFERMONITORING INTERVIEW MIT MARKUS KAUTZ
Markus Kautz verantwortet seit April 2019 den Fachbereich Fichtenborkenkäfer in der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt des Landes in Freiburg (FVA). In dieser Funktion ist er auch für das Gebiet des Nationalparks tätig, speziell für das Borkenkäfermonitoring als Teil des Borkenkäfermanagements.
Was versteht man eigentlich unter Monitoring?
Frei übersetzt ist das Monitoring eine Beobachtung, es ist im Prinzip eine Überwachung. Schließlich werden Daten erhoben, die Rückschlüsse auf die Entwicklung einer Population an Borkenkäfern geben. Sie sind Grundlage dafür, was zu tun ist.
Wird das Monitoring ganzjährig gemacht?
Nein. Wir monitoren jedes Jahr ab 1. April bis zum 30. September. In der kalten Jahreszeit macht es keinen Sinn. Die Käfer sind auf Winterruhe eingestellt. Selbst wenn tagsüber deutlich zweistellige Temperaturen erreicht werden, sind die Tage zu kurz, damit die Käfer ausschwärmen, denn es könnte jederzeit frieren. Die Käfer scheinen zu ahnen, dass das ein Selbstmordkommando wäre.
Seit wann findet Monitoring im Nationalpark statt?
Seit seiner Gründung im Januar 2014. Den Initiatoren war von Beginn an sehr bewusst, dass ein Borkenkäfermanagement nur Hand in Hand mit einem flächendeckenden Monitoring funktionieren kann, um die Borkenkäfersituation gut im Griff zu haben. Über das Monitoring wird der Status der gesamten Population im Nationalpark im Blick gehalten.
Wie machen Sie das genau?
Dafür werden zwei Instrumente eingesetzt. Erstens mit Pheromonfallen. Das sind Lockstoffe, die unwiderstehlich für den Borkenkäfer sind, weil er sie selbst produziert, um Artgenossen anzulocken. Je mehr Käfer in die Fallen gehen, desto mehr Käfer fliegen. Das heißt, die Fallen geben uns Hinweise auf die Schwärmaktivität der Borkenkäfer.
Wie häufig prüfen Sie die Fallen?
Die Fallen werden einmal wöchentlich und immer am gleichen Tag und zur gleichen Tageszeit geleert. So ermitteln wir, wie viele Käfer in der Vorwoche geflogen sind. Wir haben insgesamt vierzig solcher Fallen rund um den Park und vorwiegend in der Pufferzone installiert. Ein paar wenige befinden sich auch im puffernahen Bereich der Entwicklungszone. Durch diese Verteilung sehen wir, wann wie viele Käfer überhaupt unterwegs sind und in welchen Bereichen des Parks sie vermehrt auftreten. Die Summe all dieser Daten verschafft uns einen guten Überblick.
Und was sagt die Zahl der gefangenen Käfer genau?
Sie erzählt uns etwas über die Schwärmaktivität der Borkenkäfer, über die wir recht genau vorhersagen können, wann der Hauptschwarm einer Generation fliegt und somit mit Befall zu rechnen sein wird. Die Gleichung ist einfach: Viele Käfer in der Falle sind ein Indiz dafür, dass die Population ausschwärmt. Dann kommt es höchst wahrscheinlich zu Befall.
Und was ist die zweite Methode beim Monitoring?
Das zweite Instrument beim Monitoring ist eine Falle größeren Ausmaßes. Man könnte sogar von einem Köder sprechen. Genauer gesagt legen wir einen sogenannten Brutbaum aus. Dazu wird eine liegende Fichte mit Pheromon beködert. Sie soll schließlich befallen werden. Jede Woche prüfen wir nach, wie weit Befall und Entwicklung der Brut vorangeschritten sind. Dafür klappen wir die Rinde auf DINA4 Format auf. Durch die regelmäßigen Kontrollen wissen wir genau, wann sich die Käfer eingebohrt haben, wann Eier abgelegt wurden, das Larvenstadium erreicht ist, Puppe und Jungkäfer entwickelt sind. Das dokumentieren wir jede Woche. Parallel dazu zeichnen wir auch die Rindentemperatur des Brutbaums auf. Je wärmer sie ist, desto schneller entwickelt sich der Käfer.
Wo liegt der Brutbaum?
In der Entwicklungszone des Nationalparks, im Tonbachtal auf 860 Meter. Auf dieser Höhe können wir gute Rückschlüsse auf Bestandsbäume ziehen. Die Informationen, die wir am Brutbaum gewinnen, sind Richtgrößen für unseren Bericht, der als Fazit in den wöchentlichen Newsletter einfließt. Außerdem verschafft er uns wertvolle Zeit: Denn bei einem Brutbaum geht alles etwas schneller. Es ist schließlich Totholz, das sich nicht mehr gegen einen Befall wehrt. Außerdem liegt er auf einer Freifläche, ist somit temperaturbegünstigter. Dadurch verläuft die Entwicklung der Stadien etwas rascher als im Bestand. So warnen wir nie zu spät.
Was genau steht im Newsletter?
Die Synthese aller Monitoring-Daten. Der Newsletter selbst ist in drei Rubriken untergliedert. Darin beleuchten wir die aktuelle Situation in Pheromonfallen und Brutbaum, schlüsseln aber auch die Befallsdaten aus den Claims auf. Auf dieser Basis und unter Bezugnahme von Wettervorhersagen stellen wir eine Prognose, wie sich der Borkenkäfer und damit das Befallsrisiko in der Folgewoche höchst wahrscheinlich entwickeln werden. Der dritte Abschnitt umfasst Handlungsempfehlungen, was konkret im Borkenkäfermanagement zu tun ist. Diese Empfehlungen helfen den Waldarbeitern, ihre Aktivitäten – wie Einschlag und Abfuhr des Befallsholzes – rechtzeitig zu steuern und je nachdem zu priorisieren, um Folgebefall zu verhindern.
Buchdrucker oder Kupferstecher – welcher ist schlimmer?
Wenn wir vom Borkenkäfer sprechen, meinen wir in der Regel den Buchdrucker. Auch im Kontext des Nationalpark Schwarzwald. Der Kupferstecher ist im Vergleich dazu viel weniger relevant, weil er weniger Schaden anrichtet. Zwar kommen beide Arten oft auch im selben Baum vor, doch der Kupferstecher geht vorwiegend in den Jungwuchs oder in die Baumkronen. Starke Stämme sind nicht sein Revier. Neben den beiden Fichtenborkenkäferarten gibt es auch an der Tanne schadrelevante Borkenkäfer, aber im Gesamtbild dominiert im Nationalpark klar der Buchdrucker.
Haben Borkenkäfer einen Lieblingsbaum?
Ja, Buchdrucker lieben die Fichte, mit Abstand. In der Not befällt er zwar auch andere Nadelbaumarten, doch das kommt höchst selten vor. Damit er eine Kiefer, Lärche oder Douglasie befällt, muss er schon sehr verzweifelt auf der Suche sein. Buchdrucker werden von bestimmten Fichteninhaltstoffen angelockt, den Kairomonen. Über sie riecht und schmeckt er quasi, wo die Fichte steht. Während er sich hineinbohrt, wandelt er die Kairomone in Pheromone um und scheidet diese aus. Die wiederum locken Artgenossen an. Das ist die Strategie, die ihn so stark macht. Denn nur in großer Zahl schafft er es, eine starke, abwehrfähige Fichte überhaupt zu töten. Je mehr Lockstoff, desto mehr Käfer und desto geringer die Abwehrchance. Außerdem scheint die Fichte für die Brutentwicklung deutlich geeigneter zu sein als andere Nadelbaumarten.