Nicolas Ebert
Nicolas Ebert ist der Inbegriff eines Beach-Boys, wie man ihn sich an der kalifornischen Sonnenküste vorstellt. Blaue Augen, strahlendes sympathisches Lachen, wilde blonde Locken und im Sommer vermutlich braun gebrannt. Zweifellos ein Mädchenschwarm. Und um das Klischee vollends zu bedienen: Nicolas kommt tatsächlich aus Kalifornien und ist – natürlich – begeisterter Surfer. Gleichwohl wirft der 19-jährige aber auch eine andere Eigenschaft in die Waagschale, die da heißt: Bodenständigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Der Beach-Boy macht gerade ein freiwilliges ökologisches Jahr beim Nationalpark und stellt nach mehr als sechs Wochen fest: „Die Vorstellung von meinem Leben hat sich gewandelt; ich habe eine neue Seite in mir kennen gelernt“.
Diese neue Seite hat damit zu tun, dass er offensichtlich seinen Weg in die Zukunft gefunden hat. Anfangs, sagt er, sei es die Idee seiner Mutter gewesen, nach dem High-School-Abschluss ein freiwilliges ökologisches Jahr in Deutschland zu absolvieren. Deutschland deshalb, weil die Eltern beide von hier stammen – die Mutter aus Magdeburg, der Vater aus Rüdesheim – und Nicolas grundsätzlich gerne seine „Wurzeln erkunden wollte“. Er besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft, spricht die Sprache perfekt, durchsetzt natürlich mit typischem Westküsten-Slang, und weiß seine Schwester in der Nähe, die in Berlin als Korrespondentin der Washington Post arbeitet. Also recherchierte er, zunächst Richtung Bayern, aber dann sei er sehr schnell auf den Nationalpark Schwarzwald gestoßen. Er war begeistert von Aufgabe und Anforderung, bewarb sich und ist noch heute angetan vom Bewerbungsgespräch mit seinen Betreuern Florian Hofmann und Matthias Eberspächer. „Es war so toll, die Chemie hat sofort gestimmt“.
Am 1. September trat Nicolas seinen Job an; mit „keiner besonderen Erwartung“, wie er sagt. Aber mit großen Hoffnungen. Zusammen mit fünf weiteren jungen Menschen, die ein freiwilliges Jahr beim Nationalpark absolvieren, lebt er im ehemaligen Hotel Adler in Seebach und konstatiert: „Ich liebe es hier. Ich bin so dankbar. Ich bin Teil einer Familie.“ Längst überwunden ist das anfangs doch sehr starke Gefühl von Heimweh. Nicolas geht inzwischen in seiner Arbeit auf. Der Naturbursche liebt es, immer draußen zu sein und als Teil des Ranger-Teams akzeptiert zu werden, und dabei stört es ihn auch nicht, dass er schon mal zum Schneeschippen eingesetzt wird. Er hat auch gelernt, wie wichtig im Nationalpark die Balance zwischen Besuchern und Naturschutz gesehen wird; dementsprechend behutsam wird bei Streckenkontrollen agiert, wenn irgendjemand wieder die Regeln nicht eingehalten hat. „Hier lernt man, den richtigen Ton zu treffen.“ Intensiv arbeitet er darauf hin – und diese Chance möchten sie ihm im Nationalpark geben: eigenständig Führungen in englischer Sprache anzubieten. Das wäre für Nicolas so etwas wie ein Ritterschlag. Wie sehr er sich mit der Region, in der er inzwischen lebt, und der gestellten Aufgabe verwurzelt sieht, mag man auch daran ablesen, dass er als zusätzliche Projektarbeit an einem Film über den Nationalpark arbeitet. Die Kamera sei sein ständiger Begleiter. „Ich möchte diese tolle Erfahrung dokumentieren.“
Seine grundsätzlich vorhandene Neigung zu Naturwissenschaften hat sich im Nationalpark zweifelsohne geschärft und demzufolge liegt der Weg in seine Zukunft nicht mehr im Diffusen. „Das freiwillige Jahr endet im September, dann werde ich vor allem reisen und die Heimat meiner Eltern kennenlernen. Danach möchte ich gerne in Deutschland studieren – Umweltwissenschaft oder Meeresbiologie, etwas in diese Richtung.“ Zur Zukunft gehöre – Stand heute – aber auch die Rückkehr in die Vereinigten Staaten. „Irgendwann“, sagt er, „geht’s wieder in die Heimat“. Ein Beach-Boy braucht die Brandung.