Wandern auf dem Westweg
Eine „Nationalpark Schwarzwald satt“-Tour, echtes Highlight-Wandern also, führt vom Ruhestein nach Unterstmatt: Auf einem klitzekleinen Stück des insgesamt 285 Kilometer langen Westwegs zeigt der Nationalpark Schwarzwald fast alle besonderen Landschaften, für die das Naturschutzgebiet bekannt ist. Ob Bannwald, Blockhalden, Grinden, Karseen oder herrliche Fernsichten weit ins Rheintal – ein Highlight jagt das nächste. Noch dazu finden sich am Wegrand allerhand gemütliche Einkehrmöglichkeiten. Also haben wir – bevor der Winter endgültig Einzug hält – die Schuhe geschnürt und uns bei gemütlichen vier Grad zu einer herbstlichen Wanderpartie entschlossen.
Ohne Lift wird’s uns auch bei 4°C warm
10 Uhr am Parkplatz Ruhestein. Da wir Mittwoch haben und ein kalter Ostwind bläst, ist der Parkplatz fast leer. Aber der Regen der letzten Tage hat aufgehört und es zeigen sich vereinzelt blaue Wolkenlücken. Also Wollmütze aufgezogen und los geht’s! Das Nationalparkzentrum am Ruhestein hat bereits geöffnet. Wer will, kann sich hier mit allen interessanten Infos rund um das Schutzgebiet eindecken. Natürlich ist der Sessellift am Ruhestein heute Morgen nicht in Betrieb. Also geht es zum Aufwärmen im Zickzack den Berg hoch auf den Ruhestein. Oben erreichen wir schnell die Grenze zum Bannwald am Wilden See. Bereits seit 1911 darf hier kein Mensch mehr in den Wald eingreifen. Er ist damit das älteste Naturreservat in Baden-Württemberg. Am Eutinggrab öffnet sich unvermittelt die Aussicht hinunter zum See, der friedlich und fast kreisrund zu uns raufschaut.
Gebannt vom Bannwald
Klar nehmen wir den attraktiven Abstecher über das „Wildsee-Wegle“, das runter zum Wilden See führt. Denn auf dem engen Pfad bekommt der wirtschaftswald-gewohnte Baden-Württemberger einen Eindruck davon, was Wildnis wirklich bedeuten könnte. In regelmäßigen Abständen liegen umgestürzte Stämme über dem Weg. Im Laufe der Jahre dürfen unzählige Pilze, Flechten und Insekten das Holz auf natürliche Weise zersetzen. Abgestorbene, senkrecht stehende Skelette toter Bäume glänzen immer noch silbrig zwischen den nachtreibenden Jungbäumen. Riesige, knorrige Tannen mit bizarren Formen krümmen sich über den Wegrand. Auf jeden Fall ein Märchenwald, wie er im Buche steht. Unten, am Wilden See angekommen, spiegelt sich die bewaldete, erhabene Karwand auf der Oberfläche. Und die Wanderer oben auf dem Hauptweg sind nur noch als kleine, farbige Punkte erkennbar. Nach kurzer Foto-Rast nehmen wir denselben Weg zurück nach oben. Ungefähr eine Dreiviertelstunde hat der kurze Abstecher gedauert. Wir finden: der Abstecher gehört zum Highlight-Wandern ganz klar dazu.
Hüttenidylle und Schwarzwald-Trubel
Auf dem gekiesten Hauptweg ohne größere Höhenunterschiede passieren wir kurz danach die hübsche Darmstädter Hütte. Bedauerlicherweise ist es jetzt aber noch zu früh für eine Rast, wir haben weder Durst noch Hunger – beim nächsten Mal kehren wir aber bestimmt ein! Etwas weiter führt der komfortable Kiesweg aus dem fichten-dominierten Wald heraus und öffnet eine herrliche Aussicht auf den Ruhestein und ins Rheintal. Mehrere Kilometer wandern wir auf fast ebenem Pfad oberhalb der Schwarzwaldhochstraße bis zum Mummelsee, vorbei an so mancher Blockhalde. Am See herrscht der übliche Trubel auf dem Parkplatz, vor dem Kiosk mit schwarzwaldtypischen Produkten und dem Hotel mit dem Tretbootverleih. Rund um den See führt ein Weg mit Skulpturen zeitgenössischer Kunst, der durchaus einen Abstecher wert ist.
Black Forest in echt und Farbe
Ab hier wird es abenteuerlich. Die „Wanderer-Autobahn“ weicht einem immer schmaler werdenden, sich windenden Naturpfad. Es geht jetzt auch straff bergan, hoch Richtung Hornisgrinde, buchstäblich über Stock und Stein. Zu Beginn noch im Wald, eröffnet der Weg durch zunehmende Baumlücken wieder atemberaubende Fernsicht. Zahlreiche Steinmännchen anderer Wanderlustiger flankieren den Weg. Wurzeln ragen wild über den Weg – ja, das ist der „Black Forest“, wie ihn sich die Touristen aus Übersee vorstellen. Nach einer halben Stunde Aufstieg erreichen wir den „Dreifürstenstein“, eine wirklich beeindruckend große Buntsandsteinplatte, die 1722 zur Abgrenzung der Markgrafschaft Baden, des Herzogtums Württemberg und des Fürstbistums Straßburgs installiert wurde.
Bilderbuch-Hochmoor Hornisgrinde
Ein paar Schritte weiter hat sich die Landschaft wieder vollkommen gewandelt. Jetzt dominiert ein Hochmoor den rund zwei Kilometer langen Bergrücken, bedeckt von niedrigen Gräsern und Binsen. Kaum Bäume oder Büsche, die den Blick stören. Der südöstliche Teil des langgezogenen Bergplateaus ist von Natur aus unbewaldet, man schätzt das Alter des Moors auf fast 6.000 Jahre. Der Rest der Grinde ist vom Menschen um das 15. Jahrhundert gerodet und anschließend als Viehweide genutzt worden. Das gesamte Areal steht seit 1992 unter Naturschutz. Das letzte Stück zum Gipfel des höchsten Bergs im Nordschwarzwald legen wir auf einem Holzsteg zurück, der über das Moor führt, bis auf 1163 Meter über Null. Einige Infotafeln erklären Geschichte und Ökologie hier oben. Diverse Windkraftwerke und Türme ragen auf, zwei davon – Signalturm und Hornisgrindeturm – sind für die Öffentlichkeit zugänglich.
Highlight-Wandern von A nach B
Und schon geht es wieder abwärts – zurück in den Wald auf den Abstieg nach Unterstmatt. Auch hier schlängelt sich der Westweg als schmaler Pfad durch die Natur. Sehr schön. Nach Darmstätter Hütte und Mummelsee kommen wir zur dritten Rastmöglichkeit, zum Ski- und Wanderheim Ochsenstall. Und jetzt ist es auch Zeit für eine kleine Stärkung und einen Kaffee. Der restliche Abstieg nach Unterstmatt geht dann ruckzuck. Mit Pause vier Stunden – tolle Tour.
Fazit: Unheimlich viel Abwechslung, leichte und anspruchsvolle Passagen, viel zu entdecken: Auf unserer Tour haben wir in einem halben Tag fantastische Eindrücke gesammelt. Wer mehr Zeit mitbringt, kann natürlich weitere Abstecher unternehmen und ausgiebig einkehren. Oder einfach dem Westweg, der von Pforzheim bis Basel führt, weiter folgen. Wandern vom Feinsten! Übrigens: Mit der Panoramalinie 7123 und der Naturerlebnislinie 7125 des Südwestbus kommen Wanderer dann auch ganz bequem wieder zum Ruhestein zurück – und auch zu den Bahnhöfen Achern und Ottenhöfen.