Das vertraute Stakkato ertönt hinter, neben, vor einem im Wald: Man hört Spechte oft schon von weitem, aber sie zu sehen, ist nicht ganz einfach. Die Tiere gehen meist hoch oben und weit ab vom Weg ihrer Nahrungssuche oder ihrem Nestbau nach und hacken mit ihrem langen, spitz zu laufenden Schnabel Löcher und Höhlen in die Bäume. Und ausgerechnet einer, der in Deutschland nur selten zu finden ist, lässt sich vom Menschen kaum stören und zeigt sich im Nationalpark auch mal direkt am Wanderweg: der Dreizehenspecht.
„Der Dreizehenspecht ist tatsächlich nicht sonderlich scheu“, erklärt Marc Förschler, Leiter der naturwissenschaftlichen Forschungsabteilung am Nationalpark Schwarzwald. „Trotzdem muss man schon Glück haben, oder sehr viel Zeit und Geduld mitbringen, wenn man ihn eines Tages einmal sehen möchte. Denn er ist eher selten, da er sehr anspruchsvoll ist.“ Anspruchsvoll bedeutet beim Dreizehenspecht, dass er vom Verfall lebt. Er braucht keine jungen, in Saft und Kraft stehenden Bäume. Er braucht vor allem alte, absterbende Bäume und morsches Totholz. Und davon recht viel, um seinen Appetit auf die darin lebenden Larven verschiedener Käferarten zu stillen. Dabei hilft er mit seiner eifrigen Hackarbeit auch dabei, das Totholz nach und nach zu zerkleinern und zu zersetzen, damit wieder neues Leben entstehen kann.
Der Ornithologe Förschler erklärt: „Vor allem Borkenkäferlarven schmecken ihm und seinem Nachwuchs gut – doch vom Borkenkäfer befallene Fichten werden aus bewirtschafteten Wäldern in der Regel schnellstmöglich entfernt und verarbeitet. Deshalb ist der Dreizehenspecht vor allem in Waldschutzgebieten wie Nationalparken, Naturwaldreservaten und Bannwäldern heimisch. Hier bleiben die absterbenden und toten Bäume in den Kernzonen stehen und bieten ihm einen guten Lebensraum.“ Der Dreizehenspecht gilt deshalb auch als sogenannter Wildniszeiger – wo er vorkommt, da ist die Natur ein Stück naturbelassener oder eben wilder, wie hier im Nationalpark Schwarzwald.
Selten ist er aber auch deshalb, weil sein benötigtes Revier nicht gerade klein ist. In den alpinen Nadelwaldlagen der Schweiz, wo die Spechtart noch häufiger vorkommt, werden gut zehn Brutpaare pro 100 Quadratkilometer gezählt. Das entspricht der gesamten Fläche des Nationalparks. Und von dieser gesamten Fläche ist auch nicht alles nach seinem Geschmack: Der Dreizehenspecht bevorzugt die Höhenlagen um 900 bis 1.100 Meter. Auf den dadurch stark begrenzten Flächen im Nordschwarzwald haben weit weniger Dreizehenspechte Platz. Die Forscher kennen die einzelnen Tiere sozusagen fast persönlich. „Wer allerdings als Besucher mal das Glück hat, einen der wenigen, hier brütenden Dreizehenspechte zu sehen, wird die Tiere leicht erkennen“, so Förschler. Wie der Name vermuten lässt, hat der Dreizehenspecht tatsächlich nur drei statt der sonst bei Spechten üblichen vier Zehen. Zwei sind nach vorn gerichtet, einer ist – typisch Specht – gerade nach hinten gerichtet. Man sieht ihn üblicherweise an der Rinde von absterbenden Borkenkäfer-Bäumen oder an dicken Totholz-Ästen bei der Nahrungssuche. Er ist ähnlich groß wie der viel häufigere Buntspecht, etwa 21 bis 22 Zentimeter lang. Dabei ist er jedoch dunkler und trägt keine rote Färbung. Die Männchen zeigen einen gelben, Weibchen einen schwarzgrauen Scheitel. Beide haben zwei weiße Längsstreifen an den Kopfseiten und einen weißen Streifen entlang des Rückens.
„Die Brutpaare des Dreizehenspechtes sind ihrem Standort mehr oder weniger treu, solange es in der Umgebung genug Nahrung gibt. Sie sind auch keine Zugvögel, sondern bleiben ganzjährig an einem Ort.“ Etwa 3-5 Eier legt ein Pärchen im Jahr und kümmert sich gemeinsam um die Aufzucht. Und nur, wenn die Nahrung knapp wird, etwa, weil es zu viele Spechte für die Fläche werden, fliegen die Vögel weiter auf der Suche nach rar gewordenen, naturbelassenen Nadelwäldern mit nahrhaftem Käferholz.