Auf 723 Kilometern Wander- und Radwegen ausgedehnte Wald- und Moorgebiete erkunden, Kraniche, Fisch- und Seeadler beobachten oder im Kanu von See zu See paddeln: Im Müritz-Nationalpark sind beeindruckende Naturerlebnisse an der Tagesordnung.
Er ist mit 322 Quadratkilometern der größte deutsche Nationalpark auf dem Festland, drei Viertel seiner Fläche sind von Wald bedeckt, 13 Prozent von Seen und anderen Gewässern. Über 400 Moore bedecken acht Prozent des Gebiets. Der Müritz-Nationalpark ist Teil der Mecklenburger Seenplatte, die nicht zu Unrecht „Land der 1000 Seen“ genannt wird. Zu seinem Schutzgebiet gehört ein zehn Kilometer langer und 500 Meter breiter Streifen am Ostufers der Müritz, des größten innerdeutschen Binnensees. Insgesamt verteilen sich 107 Seen mit faszinierenden Wasserwelten im Nationalpark, und das sind nur diejenigen, die größer als einen Hektar messen.
Wertvoller Buchenwald ist UNESCO-Weltnaturerbe
Eine Eigenschaft teilt sich der Müritz-Nationalpark mit dem Nationalpark Schwarzwald: Er verteilt sich ebenfalls auf zwei Gebiete. Zwischen dem größeren Westteil „Müritz“ und dem Ostteil „Serrahn“ liegt die Stadt Neustrelitz. Während die Wälder im Müritz-Gebiet hauptsächlich aus einst für die Forstwirtschaft gepflanzten Kiefern bestehen, dominieren im Serrahn besonders alte und wertvolle Buchenwälder. Rund 280 Hektar davon gehören, wie zum Beispiel Teile der Buchenwälder in den Nationalparks Hainich, Jasmund oder Kellerwald-Edersee, zum UNESCO- Weltnaturerbe „Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas“.
Der Nationalpark verfügt über eine sehr abwechslungsreiche Flora. Vor allem in den Pflegebereichen am Ostufer der Müritz und des Feisnecksees konnten besonders artenreiche und seltene Lebensräume erhalten werden. Schafe, Ponys und Fjällrinder sorgen hier für die nötige Landschaftspflege. Vielfältige Orchideen und seltene Moor- und Sumpfpflanzen sind zu finden. Fettkraut, Baltischer Enzian und viele Orchideenarten wachsen verbreitet. In den weiten Moorlandschaften tupft Wollgras weiße Flecken in die Landschaft.
Eilbeschluss für die Natur
Die Einrichtung des Müritz-Nationalparks war unter hohem Zeitdruck gewissermaßen eine Last-Minute-Entscheidung der einzigen frei gewählten DDR-Regierung: Am 12. September 1990 beschloss der Ministerrat die Gründung von fünf Nationalparks, sechs Biosphärenreservaten und drei Naturparks. Die Verordnungen traten am 1. Oktober 1990 in Kraft – zwei Tage vor der deutschen Wiedervereinigung! Dieser Tag gilt als Gründungsdatum für den Müritz-Nationalpark.
Wie in allen Nationalparks gilt auch hier: Natur Natur sein lassen. Was den Wald betrifft, geht man inzwischen sogar ziemlich weit: „Seit dem 1. Januar 2018 rühren wir den Wald nicht mehr an“, sagt Nora Künkler, Pressesprecherin des Müritz-Nationalparks. „Auch außerhalb der Kernzonen findet großflächig Wildnisentwicklung statt. Damit überlassen wir rund 80 Prozent des Nationalparks sich selbst.“ Das heißt, die natürliche Entwicklung sorgt langfristig dafür, dass die Kiefern irgendwann den Buchen und anderen Laubhölzern weichen werden – auch wenn das noch Generationen dauert. In den so genannten Pflegezonen jedoch werden weiterhin die verbleibenden Kulturlandschaften erhalten. So halten beispielsweise Weidetiere die Heidelandschaften am Ostufer der Müritz offen.
Die Stars der Tierwelt
Die spektakulärsten Bewohner des Müritz-Nationalparks dürften die Kraniche sein, die im Herbst auf dem Weg in den Süden hier Rast machen. „Rund 60 Paare brüten hier“, erzählt Nora Künkler. „In Spitzenzeiten halten sich aber 15.000 bis 16.000 Exemplare in der Region auf.“ Wer ein „Kranich-Ticket“ im Info- und Welcome-Center „Müritzeum“ in Waren bucht, kann auf einer geführten Wanderung mit geschulten Ornithologen die großen Zugvögel an den besten Beobachtungspunkten erleben. Ebenso spannend ist die Beobachtung von Fisch- und Seeadler. Die Nationalpark- Gemeinde Federow stellt einen Beobachtungsstand und ein Infozentrum mit Live-Webcam in einen Fischadler-Horst zur Verfügung.
„Typisch für den Nationalpark ist der Schwarzspecht“ verrät Nora Künkler. „Und seit 2016 nistet ein Uhupärchen bei uns.“ Wer Glück hat, kann in den Sumpfgebieten das mysteriöse und markante „Hupen“ der „Moorochsen“ hören. Der dumpfe, kilometerweit hörbare Lockruf gab der Rohrdommel, einer seltenen Reiherart, ihren Spitznamen.
Einzigartige Mission für Ranger: Waschbärmanager
Doch nicht nur rare Großvögel wohnen an den Seen und Mooren. Auch Fischotter und Biber sind wieder heimisch geworden. Außerdem gehört ein Vierbeiner mit Migrationshintergrund schon lange zum festen Tierbestand: der Waschbär. Er hat sich gut integriert und stellt für die heimischen Arten keine große Gefahr dar. Seine Population verändert sich kaum. Er ernährt sich als Allesfresser hauptsächlich von Würmern, Schnecken und pflanzlicher Kost. „Waschbären sind faul und jagen kaum“, berichtet Nora Künkler. „Vögel und Eier gehören zum Beispiel nur zu rund einem Prozent zu ihrem Speiseplan. Viel lieber suchen sie Nahrung in der Nähe des Menschen.“ Deshalb arbeiten zwei Nationalpark-Ranger als „Waschbärmanager“. Sie beraten Anwohner, sollten die frechen Gesellen zudringlich werden.
Ähnlich wie im Schwarzwald werden immer wieder Wölfe gesichtet. In Ostdeutschland leben ohnehin die meisten Rudel. „Auch wir sind Wolfserwartungsland. Bei unserer hohen Wilddichte rechnen wir fest damit, dass sich Wölfe hier niederlassen. Der Nationalpark bietet Platz für ein Rudel“, so die Pressesprecherin.
Heimliche Unterwasserwelten
Ob in der Müritz oder im kleinsten Waldsee, überall wuselt es unter der glitzernden Wasseroberfläche. Im großen See leben Barsch, Hecht, Zander, Aal und andere Fische. Außerhalb der geschützten Zone am Ostufer ist der See eine Topadresse für Angler. In den kleinen Gewässern leben Spinnen in Luftblasen, Armleuchteralgen wiegen in den Wellen, fleischfressende Pflanzen sind auf der Jagd nach winzigen Wasserflöhen. Man findet Wasserskorpione, Rückenschwimmer und Süßwassermedusen.
Einzigartig für einen Nationalpark: Auf zwei Wasserwanderrouten lassen sich die Seenlandschaften entlang der oberen Havel vom Kanu aus erleben – komplett motorbootfrei. Gepaddelt werden darf zwischen Kratzeburg und Zwenzow oder von Boek nach Mirow. „Da sehen Sie auf alle Fälle Adler – das kann ich Ihnen fast in die Hand hinein versprechen“, lächelt Nora Künkler.
Besucherzentrum mit größtem Aquarium
Anlaufstelle und Besucherzentrum für die gesamte Region und natürlich auch für den Nationalpark ist das „Müritzeum“ in Waren. Es ist ein Naturerlebniszentrum mit Deutschlands größtem Süßwasseraquarium für heimische Fische. Dazu gehört ein zwei Stockwerke hohes Fischbecken mit der größten jemals in Europa gefertigten Glasscheibe. Mit seiner einmaligen Architektur und der Verkleidung aus verkohltem Lärchenholz beherbergt das Müritzeum ein überregional bekanntes Zentrum für Naturerlebnis, Umweltbildung und Naturforschung ebenso wie multimediale und interaktive Ausstellungsräume. Dort erhalten Besucher alle Informationen über den Nationalpark. Darüber hinaus verteilen sich sieben weitere Informationseinrichtungen über den Nationalpark. Überall werden natürlich auch Führungen und Tourentipps angeboten.
Wandervögeln und Radfahrern geht buchstäblich das Herz auf: 723 Kilometer lang ist das Wegenetz durch die abwechslungsreichen Hügel-, Wald-, See- und Moorlandschaften. Eine Besonderheit ist der „Müritz-Nationalpark Weg“, der längste Wanderweg durch einen Nationalpark in Deutschland. Auf rund 170 Kilometern führt der Fernwanderweg in neun Etappen rund ums Nationalpark-Gebiet. Macht das nicht Lust auf einen Urlaub im Land der 1000 Seen?
Fakten zum Müritz-Nationalpark
Fläche: 32.200 Hektar (322 km²), davon 72 % Wald, 13 % Gewässer, 8 % Moore, 5 % Wiesen und Weiden, 2 % Äcker
Eigentum: Land Mecklenburg-Vorpommern, Bund, Privat, Kommunen, Stiftungen, BVVG
Gründung: 1.10.1990, Rechtsgrundlage: Verordnung über die Festsetzung des Nationalparkes „Müritz-Nationalpark“ vom 12.9.1990 (DDR)
Leitung: Ulrich Meßner
Artenvielfalt:
- Gefäßpflanzen ca. 901 Arten, davon 18 Orchideen
- Vögel ca. 250 Arten, davon 137 Brutvogelarten (darunter: Seeadler ca. 14 Brutpaare, Fischadler ca. 13 Brutpaare, Kranich ca. 60 Brutpaare)
- Säugetiere 53 Arten, davon 13 Fledermausarten