Luchs im Nordschwarzwald das zweite Mal erfolgreich besendert
Seit Herbst 2019 hat der Landkreis Rastatt einen Wildtierbeauftragten: Martin Hauser. Die Rückkehr des Wolfes ein Jahr zuvor legte nahe, dafür eine Vollzeitstelle zu etablieren. Hauser hat ein Auge auf den Wildtierbestand und ein Ohr für Fragen der Bürger, Jäger und Landwirte. Ende 2019 gab es erfreulicherweise erste Hinweise auf einen Luchs im Nordschwarzwald. Im April wurde er erstmals besendert. Sein Halsband liefert Daten zum Verständnis dieser geschützten und seltenen Tierart.
Martin Hauser saß mit seiner Familie abends gemütlich im Wohnzimmer, als ihn die Nachricht „Falle geschnappt, sofortige Kontrolle erforderlich“ auf seinem Handy erreichte. Die große Freude, die er damals empfand, stellt sich sofort ein, wenn er von diesem Moment erzählt. Erst zwei Wochen zuvor hatte er gemeinsam mit einem Team der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) Freiburg die Lebendfalle mit Fallenmelder in einem ausgesuchten Waldstück aufgestellt. Dass der Luchs bereits 14 Tage später darin gefangen war, bewertet er als unglaublichen Glücksfall: „Diese Tiere sind scheu und schlau, daher ist es nicht ungewöhnlich, dass so etwas einige Monate dauern kann.“ Die Generalprobe bestanden Falle und Team wenige Tage zuvor. Pünktlich zu Ostern hatte sich ein Wildhase in der drei Quadratmeter großen Kiste eingesperrt. Dass es im zweiten Anlauf schon ein Luchs sein sollte, bestätigten Hauser Bilder einer nahe postierten Fotofalle, die er schon während der Anfahrt auf seinem Handy einsehen konnte. Daraufhin setzte er die Telefonkette für das Fang-Team in Gang.
Betäubt, besendert und benamst
Vorort musste alles schnell gehen. Der Luchs wurde per Blasrohr betäubt, vermessen, von allen Seiten fotografiert und besendert. Herzschlag und Pulsfrequenz waren unter ständiger Beobachtung, ebenso das Aufwachen des jungen Kuders in der abgedunkelten Box. Hauser taufte seinen Luchs auf den Namen „Toni“, benannt nach dem Rastatter Landrat Toni Huber. Seither beschattet der gelernte Förster den Luchs im respektvollen Abstand, sucht nach Lagerorten seiner Beute und spürt mittels Kreuzpeilung das oft bis zu einem Kilometer entfernte Tageslager auf. Wie schnell Toni umzieht hängt davon ab, wie ergiebig sein Riss ist. Mal verweilt er zwei, ein anderes Mal auch vier Tage oder länger. Hauser ist fast täglich unterwegs, um die Fährte nicht zu verlieren. Obwohl der 60-Jährige von Mitarbeitern der FVA unterstützt wird, ist das Monitoring zeitintensiv. Hauser peilt telemetrisch, über die VHF-Technik, wie Fernseh-, Radio und Funkmikrofone. Störfrequenzen sind hier keine Seltenheit. Doch das GPS in Tonis erstem Halsband hatte nicht zufriedenstellend funktioniert. Seit Ende Juli ist das anders. Toni wurde zum zweiten Mal gefangen und neu besendert. Und seither verfolgt Martin Hauser seine Wanderungen auch ganz entspannt vom Laptop aus.
Wildtierexperte in Vollzeit
Dass Hauser sich trotz seiner anderen Aufgaben als Wildtierexperte intensiv um Toni kümmern kann, wurde erst durch die neue Vollzeitstelle möglich, die der Landkreis Rastatt zum 1. Oktober 2019 eingerichtet hat. Früher lief das Wildtiermanagement beim fünffachen Vater immer nebenbei und als Teil vieler Arbeitsgruppen. Er gilt als Auerhahn- und seit 2018 auch als Wolfsexperte. Beide Arten zählen ebenso zu seinen Schützlingen wie Biber, Wildkatze, Dreizehenspecht, Sperlingskauz, Raufußkauz und Habicht. Hauser überwacht ihre Bestände, kartiert Lagerstätten und Höhlenbäume und bezieht Ornithologen bei der Auswertung seiner Erkenntnisse ein. Dass er sich gegen Ende seiner Dienstzeit ganz auf Wildtiere konzentrieren und den neuen Posten mit seinen Anregungen formen darf, darüber freut sich der Opa von fünf Enkeln ungemein: „Ein Traum ist in Erfüllung gegangen.“
Codename B 3001
Tonis wissenschaftliche Bezeichnung lautet B 3001. „B“ steht dafür, dass er beidseitig fotografiert werden konnte. Ein „R“ würde signalisieren, dass nur Bilder der rechten Seite existieren. Ein „L“ steht folgerichtig für links. Diese Fotos sind wie ein Fingerabdruck, denn die Fellzeichnung eines Luchses ist einmalig. Die Zahl im Namen gibt an, wo der Luchs erstmals entdeckt worden ist. 3000er-Nummerierungen stehen für Baden-Württemberg. Toni ist somit der zweite, aber erstmalig im Schwarzwald registrierte Luchs. Wilhelm, alias B 3000, konnte 2015 im Südschwarzwald besendert werden. Doch Wilhelms Halsband ist mittlerweile defekt. Ein Sender hält nur etwa zwei Jahre. Im Donautal hat Lias sein Revier. Sein Code lautet B 600, denn er wurde erstmals in der Schweiz entdeckt und ist von dort aus ins Ländle eingewandert. Zwischenzeitlich weiß man, dassdas bei Toni auch so gewesen ist. Er wurde erstmals im 170 Kilometer (Luftlinie) entfernten Ort Bassecourt gesichtet, im Schweizer Kanton Jura. Sollte das durch beidseitige Fotos von ihm belegbar sein, würde B 3001 vermutlich umbenannt. Doch damit rechnet Martin Hauser nicht mehr und Toni bleibt Toni, Nummer hin oder her.
Projekt Populationsunterstützung vertagt
Genau wie Wölfe waren auch Luchse im Schwarzwald einst heimisch. Tiere beider Spezies werden etwa zehn Jahre alt. Luchse sind Einzelgänger. Weibchen verlassen ihren angestammten Lebensraum in der Regel nicht, die Männchen wandern. Eine Population wird es nur geben, wenn der Mensch nachhilft und ein Weibchen ein bürgert. Laut Hauser wären der Nordschwarzwald und das felsige Murgtal idealer Lebensraum für die scheuen Wildkatzen. Doch das sei aktuell kein Thema. Laut Landesregierung müsse die Akzeptanz der Menschen in der Region dafür noch wachsen. Luchse sind weder für sie noch für ihre Nutztiere gefährlich. Luchse ernähren sich fast ausschließlich von Gämsen oder Rehen.
Daher tut Aufklärung Not. Sie ist fester Bestandteil in Hausers Arbeitsalltag. „Das Auftauchen des Wolfes 2018 hat beispielsweise gezeigt, dass uns Menschen das Wissen über Wildtiere verloren gegangen ist“, so Hauser, „und das versuche ich über eine gute Öffentlichkeitsarbeit, in Vorträgen und vielen Gesprächen wieder aufzubauen.“ Das gelingt ihm recht gut, schließlich kennt er viele und sehr viele kennen ihn. Das erleichtert vieles. Die Zusammenarbeit mit den Jagdpächtern funktioniere auch gut, lobtHauser:„Sie schicken mir teilweise stolz Bilder von Toni, die mit ihren Fotofallen aufgenommen worden sind.“Auf dem Gebiet des Nationalparks wurde der junge Luchs noch nicht gesichtet. Das mag noch kommen. Den Kontakt zu den dort zuständigen Wildtierexperten pflegt Martin Hauser bereits jetzt.