Die Auftragsliste ist lang, und wäre die Nationalpark-Zimmerei ein Wirtschaftsbetrieb, könnte er sich vermutlich gut im Wettbewerb behaupten. Da die Zimmerei aber ein behördlicher Betrieb ist, der nicht in Konkurrenz zur freien Wirtschaft tritt, übernimmt er ausschließlich Aufgaben für den Nationalpark. Und davon gibt es reichlich.
Dieter Dreher, Revierleiter im Nationalpark für den Bereich Schliffkopf, ist so etwas wie der übergreifende Sachgebietsleiter der Zimmerei, die gerade im Winterhalbjahr alle Hände voll zu tun hat. „Mit dem ersten Schneefall beginnt hier die Hochsaison. Und die endet erst, wenn die weiße Pracht geschmolzen ist und die Arbeiten im Freien wieder aufgenommen werden können.“
Es ist ein trüber Wintertag in Seebach, und wie so oft hüllt der Nebel die Region in wattiges Grau. Die Nationalpark-Zimmerei, kein pompöses Gebäude, ist nur durch einen entsprechenden Schriftzug im Giebel kenntlich gemacht. Die Einheimischen können sich noch gut daran erinnern, dass dort früher die Zimmerei Schurr ihren Betrieb hatte, ehe der Nationalpark die Räumlichkeiten zunächst anmietete und bald danach komplett übernahm. Der 50 Jahre alte Hans-Peter Steimle und sein Kollege Stefan Huber (43) haben bei Schnurr ihre Handwerkskunst gelernt und wurden dann vom Nationalpark angestellt. Jetzt stehen sie inmitten des Teams: Die beiden Zimmerer, dazu Walter Maurer, Michael Bredenhagen, Markus Huber, Jochen Burkhardt und Leo Fischer.
Für Forstwirt Huber bedeutete die Anstellung beim Nationalpark wie auch für einige seiner Kollegen nach etlichen Jahren bei Forst BW eine gravierende Veränderung der Arbeitsumstände: „Früher waren wir im Winter jahreszeitlich bedingt regelmäßig arbeitslos, heute haben wir das ganze Jahr über eine Aufgabe, die uns erfüllt und die unseren Neigungen entspricht.“
Die Zimmerei besteht aus Büros, in denen die Planunterlagen und technischen Zeichnungen gefertigt und der bürokratische Alltag erledigt werden, natürlich aus Sozialräumen, der Fertigung, die circa 300 Quadratmeter misst, und einer Kombination aus weiterer Fertigungshalle und Lagerstätte, in der es lausig kalt ist, obwohl es der Januar 2022 temperaturmäßig recht gut mit den Schwarzwäldern meint. Ergänzt wird das Ensemble durch Außenflächen, auf denen das Material lagert, das bis zum Frühlingsbeginn verarbeitet werden muss.
Die Zimmereimannschaft, so scheint’s, ist ein recht verschworener Haufen, der zu Recht stolz auf seine Arbeit ist. Bänke und Sitzgarnituren mit Tischen, die das Jahr über ausgetauscht oder neu aufgestellt werden müssen, sind zum Teil fertiggestellt, zum Teil noch in Produktion. Qualitativ ausgesprochen hochwertig – erkennt sogar der Laie. Das Design haben die Kollegen in Teilen selbst entwickelt; angelehnt ist es an eine Holzbank mit Metall-Unterkonstruktion, die eine Gemeinde in der Region verwendet. Während sie das erzählen, kommt die Brust spürbar etwas weiter raus. Auch bei der Auswahl des Holzes steht Qualität an erster Stelle. Die vor rund 190 Jahren eingeführte Douglasie ist dabei der Baum der Wahl, weil er schnell wachsend, robust, leicht, gut zu bearbeiten und das Kernholz langlebig ist. „Solch eine Bank hält locker 10 bis 15 Jahre,“ sagt Dieter Dreher, „und wenn sie dann ausgetauscht werden muss, ist sie keineswegs morsch, sondern lediglich optisch in einem schlechteren Zustand und an einzelnen Stellen anbrüchig“.
Bei der Rohholzverarbeitung setzt die Nationalpark- Zimmerei auf regionale Partner. Vor allem mit einem Kleinsägewerk aus der Gegend arbeitet die Zimmerei gut zusammen.
Klein, flexibel und mit Bandsägen, die es so nicht mehr oft im Schwarzwald gibt. Ein Alleinstellungsmerkmal, das für uns von Bedeutung ist
Dieter Dreher
Rund 40 Bänke, 25 Tische, diverse hochwertige Rollcontainer für das Nationalparkzentrum, Ausstellungsschilder oder Leitsysteme aus Holz stehen in diesem Winter auf dem Programm und gehören sozusagen zum normalen Repertoire. Diffiziler wird es, wenn Anfragen nach zimmermannstechnischen Problemlösungen an das Team herangetragen werden oder ganze Forsthütten oder komplizierte Dachstühle wie bei der Hütte am Ochsenkopf erneuert werden müssen. Dann sind zum Teil detaillierte Aufrissplanungen für die Gewerke gefordert, die ausgeklügelten technischen Zeichnungen gleichen. Ein Zimmerermeister muss auch dies beherrschen. Und dann gibt es noch die Highlights, die außergewöhnlichen Projekte, die fordern und bereichern. Markus Huber scrollt über den Bildschirm seines Computers und ruft Bilder der drei Brücken bei den Allerheiligenwasserfällen auf. Jahr für Jahr dasselbe Spiel:
Wenn sich die Frühjahrsvegetation Bahn bricht und die Sonne die letzten Schneereste weggeschleckt hat, verwaist die Zimmerei in Seebach zusehends. „Wir sind dann nur noch wenige Stunden pro Woche hier“, sagt Hans-Peter Steimle. Denn dann muss all das, was im Winter gefertigt wurde, an Ort und Stelle gebracht und aufgebaut werden. Für den Sommer 2022 gilt frei nach Markus Huber: „Wir wissen gar nicht, ob wir das alles alleine schaffen können“.