Das Tor zum Nationalpark Schwarzwald steht im Zoologischen Stadtgarten Karlsruhe. Das besagt die Inschrift des Holzportals am neu angelegten Luchsgehege. Die Zusammenarbeit beider Einrichtungen geht weit über ein Holzschild hinaus. Übergeordnetes Ziel der Kooperation ist der fachliche Austausch sowie das gemeinsame Ziel: Der Schutz bedrohter Arten, die im Schwarzwald beheimatet sind oder es einmal waren. Dazu zählt auch der Luchs.
Seit Oktober 2021 streifen die vier Luchse des Karlsruher Zoos eine Spur wilder durch ein 1.100 Quadratmeter großes Gehege. Das neue Areal befindet sich am Lauterberg, nach dem Kaiserstuhl die zweithöchsten Erhebung der Tiefebene am Oberrhein, betont Zoodirekter Matthias Reinschmidt. Von einer Aussichtsplattform im Gehege lässt sich sogar die Hornisgrinde und damit die Krone des Nordschwarzwalds ausmachen. Der Blick auf ihr angestammtes Terrain dürfte den Raubkatzen mit den redensartlich guten Augen leicht fallen. Luchse haben eine lange Historie im Südwesten, auch auf der Fläche des Nationalparks, durch die ein Luchspfad führt. Seit den 2000er-Jahren kehren einzelne Tiere auf leisen Pfoten in die Region zurück – nach mehr als 200 Jahren, in denen diese Art in Baden-Württemberg als ausgerottet galt. Die scheuen Tiere im dicht bewachsenen Nationalpark zu sehen, ist nahezu unmöglich. „Aber man kann sie sich bei uns anschauen, sozusagen als Vorbereitung für den Besuch dort, und das ist ein schöner Bezug, wie ich finde“, so Reinschmidt.
Patenschaft mit Leben füllen
Bezüge zwischen Zoo und Nationalpark gibt es einige. Sie fußen auf der Patenschaft der Stadt Karlsruhe für das Großschutzgebiet. Mit Leben wird sie durch die Ideen der befreundeten Biologen Matthias Reinschmidt und Marc Förschler gefüllt – des Zoodirektors mit dem Leiter des Fachbereichs Ökologische Forschung und Artenschutz im Nationalpark Schwarzwald. „Ich finde es super, dass Matthias mit diesem neuen Gehege am Lauterberg eine Art kleinen Nationalpark geschaffen hat“, so Förschler. Die Wissenschaftler verbindet die Liebe zur Ornithologie, über die sie vor ein paar Jahren miteinander ins Gespräch gekommen sind. Eine erste Kooperation war die Leihgabe einiger Koniks, einer dem Wildpferd sehr nahen Rasse. Die Tiere gehören dem Karlsruher Zoo und weiden seit dem Frühjahr 2020 in den Sommermonaten auf den Grinden des Nationalparks. Zusammen mit Heckrindern und Schafen halten sie den Wald davon ab, sich die ebenfalls schützenswerten Heideflächen einzuverleiben.
Der Biologe Matthias Reinschmidt ist seit 2015 Direktor des Karlsruher Zoos. Damit hat sich der 57-Jährige einen Kindheitstraum erfüllt. Studiert hat er in Tübingen, promoviert an der Universität Gießen. Geboren ist er am Fuße des Schwarzwalds, genauer gesagt in der Nationalparkgemeinde Bühl. Auch deshalb ist ihm die Kooperation mit dem Nationalpark ein Herzensanliegen. Reinschmidt ist heimatverbunden, deshalb kam er nach 15 Jahren Tätigkeit im Loro Parque auf Teneriffa gerne zurück. Dass er nur Zoodirektor könne, wie er selbst von sich behauptet, stimmt nicht ganz. In den sozialen Medien ist er mittlerweile ein Star. Gemeinsam mit Hyazinth-Ara Henry gewährt er bei Facebook Einblicke in den Zoo-Alltag. Die Filme erreichen jeweils zwischen 100.000 und 1.000.000 Menschen. Papageien sind seine Leidenschaft, der Artenschutz generell. Besondere Strahlkraft haben TV-Dokumentationen, die er gemeinsam mit Frank Elstner dreht.
Prof. Dr. Matthias Reinschmidt
Zootiere als Botschafter
Im Zoo Karlsruhe gibt es jährlich am letzten Sonntag in den Schulferien einen Artenschutztag, an dem sich zahlreiche Institutionen präsentieren – auch der Nationalpark Schwarzwald. Unter Reinschmidts Leitung wird der klassische Zoo sukzessive zum Artenschutzzentrum. Zudem wurde die Artenschutzstiftung Zoo Karlsruhe gegründet. Sie finanziert zahlreiche Freilandprojekte zum Erhalt der Biodiversität. „Das sind Projekte vor Ort, aber auch über die gesamte Welt verteilt“, erläutert der Zoo-Chef: „Unsere Tiere sind zwar in Zoos geboren, aber wir verstehen sie als Botschafter ihrer Artgenossen in der Natur.“ Reinschmidt und Förschler betonen die Wichtigkeit des Erlebens regional beheimateter Arten. Dem Beispiel Luchs könnten im Zoo attraktive und im Nationalpark für Laien ebenfalls schwer zu erblickende Arten wie Sperlingskauz oder Auerhuhn folgen.
Marc Förschler ist Leiter des Fachbereichs „Ökologisches Monitoring, Forschung und Artenschutz“ im Nationalpark Schwarzwald. Der Biologe hat an der Universität Tübingen studiert und am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell und an der Universität Ulm promoviert. Als Postdoc war der gebürtige Kniebiser ein Jahr am Naturkundemuseum in Barcelona und fünf Jahre an der Vogelwarte Helgoland tätig. Die nächste Station war der Ruhestein, wo er bereits vor Entstehung des Nationalparks im Naturschutzzentrum mitgearbeitet hat.
Dr. Marc Förschler
Zoo auf Zeit
Für Kooperationen zum Bestandschutz zeigen sich beide Wissenschaftler offen. Denn Fläche und wilde Natur allein reichen oft nicht aus, um Arten zu erhalten, erklärt Förschler. Im Bestand deutlich zurückgehende Arten wie das Auerhuhn ließen sich im Zoo vermehren, bis sich die Situation in der Wildnis hoffentlich für sie bessere. Dann könnten Nachzuchten der Zootiere ausgewildert werden. Solche Modelle seien denkbar, müssten jedoch breit abgestimmt werden: mit den Regierungspräsidien, dem Umweltministerium und dem Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. „Dass wir gerne Partner für die Zucht wären, haben wir signalisiert. Und das liegt auch nahe, denn wir haben die Experten und die Verbindungen zu anderen Zoos, den Zugriff auf deren Tiere, und so könnten wir quasi das Nadelöhr für die passenden Verbindungen sein. Zu den Luchsen hat es auch bereits ein erstes Gespräch mit Minister Hauk bei uns im Zoo gegeben“, berichtet Reinschmidt.